22 November 2022 Blog

Verspätung im Seefrachtbereich - ein positiver Aspekt für alle Befrachter?

Verspätungsschäden in der Seefracht sind insbesondere in den letzten Jahren eigentlich die Regel geworden. Genauso regelmäßig aber lehnen die Reedereien bzw. Spediteure eine Haftung ab, da eben gar keine fixen Zeiten vereinbart worden seien. Das OLG Hamburg hat jetzt einmal einen doch sehr typischen Fall aus der Praxis aufgegriffen und ist zu einem unbeschränkten Verspätungsschaden gekommen!

Die faktische Ausgangsposition war wie häufig: Der Spediteur teilt mit, dass die Schiffsabfahrt erst eine Woche später findet, letztlich dann 2 Wochen später. Es handelte sich bekanntermaßen um Automobilzulieferteile, die pünktlich anzuliefern waren. Der Befrachter konnte aufzeigen, dass die Schäden aus einer verspäteten Ankunft immens waren. Er hatte deshalb einige Güter, die im Terminal auf die Verladung warteten, priorisiert, herausgenommen und per Luftfracht geschickt. Diesen Betrag für die Luftfracht von immerhin 12.000 € verlangt er als Schaden ersetzt.

Das Landgericht hat dem Schadensersatzanspruch noch aus einer Haftung für Verzug stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auch dem Schaden stattgegeben, dies aber anders begründet: Das Gericht hat die verspätete Abfahrt als eine Leistungsverweigerung angesehen, sodass sich ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB ergibt, damit aber eben auch unbegrenzt ist. Das Gericht hat aus dem Gesamtzusammenhang des Vertrages entnommen, dass dem Spediteur ganz klar war, dass die Abfahrtszeiten der Schiffe zwecks Einhaltung des Fahrplans und damit der Ankunftszeiten ausgesprochen wichtig waren. Wenn der Spediteur dann ablehnt, diese Abfahrtszeiten einzuhalten, dann sei dies eine Ablehnung der vertraglichen Leistung. Diese Beurteilung erscheint nicht unkritisch, denn tatsächlich hat der Spediteur natürlich die Leistungen nicht abgelehnt sondern ausdrücklich gesagt, dass er sie erst eine Woche später ausführt. Es bedarf jetzt also einer sehr scharfen Vertragsauslegung, um aus dem verpassten Abfahrtsdatum einen absoluten Fixtermin zu machen, der die Leistungsverweigerung begründet.

Wenn man das aufgreifen will, dann muss man ab jetzt in Verträgen fixieren, wie wichtig schon der Abfahrttermin ist, um ähnliche Konsequenzen erreichen zu können.

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