Mai 2024 Blog

Strengere Anforderungen an umweltbezogene Werbung?

Der BGH hat am 18.4.2024 darüber verhandelt, unter welchen Bedingungen die Werbeaussage „klimaneutral“ zulässig ist (Az. I ZR 98/23). In der mündlichen Verhandlung hat sich angedeutet, dass der Senat von den Entscheidungen der Vorinstanzen abzuweichen gedenkt und die Anforderungen an umweltbezogene Werbung verschärfen wird.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist ein Süßwarenhersteller mit Schwerpunkt auf Fruchtgummi und Lakritz. Die Produkte sind u.a. im Lebensmitteleinzelhandel erhältlich. Die Beklagte bewarb das streitbefangene Produkt in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche wie folgt: "Seit 2021 produziert [die Beklagte] alle Produkte klimaneutral". Zudem war ein Logo mit dem Begriff "klimaneutral" aufgebracht. Tatsächlich stellt die Beklagte die Produkte nicht CO2-neutral her. Allerdings unterstützt sie Klimaschutzprojekte über ein Umweltberatungsunternehmen und weist hierauf in der angegriffenen Werbung hin.

Der Kläger greift die Werbeaussage als irreführend an. Die angesprochenen Verkehrskreise würden davon ausgehen, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe. Jedenfalls müsse die Werbung insoweit ergänzt werden, dass die Klimaneutralität erst durch Kompensationsmaßnahmen herbeigeführt werde. Die Beklagte wird auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Kleve hat die Klage mit Urteil vom 22.6. 2022 – 8 O 44/21 abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ebenfalls zurückgewiesen (Urteil vom 6.7.2023 – I-20 U 152/22).

Das Oberlandesgericht Düsseldorf führte hierzu aus, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG wegen Irreführung zustehe. Da die Werbung in einer Fachzeitung erschienen sei, verstünden die Leser den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen. Es sei den Lesern nämlich bekannt, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Auch scheide ein Unterlassungsanspruch aus § 5a Abs. 1 und 3 UWG sowie § 5a Abs. 1 und 2 UWG in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (aF) wegen Vorenthaltens der Information, auf welche Weise die "Klimaneutralität" des beworbenen Produkts erreicht werde, aus. Diese Information sei zwar wesentlich. Die erforderliche Aufklärung über Art und Umfang entsprechender Kompensationsleistungen lasse sich aber über die Internetseite des Kooperationspartners erlangen. Dies sei zwar in der Werbeanzeige angegeben und abrufbar über einen dort ebenfalls abgedruckten QR-Code. Dies sei Lesern der Fachzeitung zumutbar.

Das Berufungsgericht hat die Revision, mit der der Kläger seine Ansprüche weiterverfolgt, wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Weiterer Verfahrensgang

Der BGH hat eine Entscheidung in dieser Sache für den 27. Juni 2024 angekündigt.

Mögliche Konsequenzen für den Bereich der Werbung

Der BGH hat bereits in der mündlichen Verhandlung angekündigt, dass er die strengen Maßstäbe, die die Rechtsprechung schon seit vielen Jahren im Bereich der Werbung mit Umweltaussagen ansetzt, nicht lockern wird. Vielmehr erscheint es nun gut möglich, dass der BGH seine diesbezügliche Rechtsprechung sogar verschärfen wird.

Zwar stellte der BGH in der Verhandlung klar, dass Klimaneutralität sowohl durch Emissionsreduktion als auch durch Kompensation erreicht werden könne. Allerdings betonte der 1. Zivilsenat auch, dass die Frage nach einer Irreführung stets im konkreten Kontext zu beurteilen sei. In diesem Zusammenhang nahm der 1. Senat auf die BGH-Rechtsprechung „Umweltengel“ (BGH, Urteil vom 20.10.1988 –  I ZR 219/87) Bezug. Seinerzeit hatte der BGH entschieden, dass aufklärende Hinweise unmittelbar auf dem Produkt bzw. in der Werbung erforderlich seien.

Sollte der BGH diese Rechtsprechung aus 1988 fortführen, ist davon auszugehen, dass er von den Entscheidungen der Vorinstanzen abweichen und den Hinweise zur Klimaneutralität als unzureichend einordnen wird. Tritt dies ein, wird ein bloßer Verweis (z.B. im Wege eines QR-Codes, aber ebenso durch einen Link etc.) auf die Internetseite eines kooperierenden Umweltberatungsunternehmens zukünftig nicht mehr zulässig sein.

Einordnung

Mit Blick auf die Richtlinie (EU) 2024/825 zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Geschäftspraktiken und durch bessere Informationen (EmpCo-RL), welche am 6.3.2024 veröffentlicht wurde und nun bis zum 27.3.2026 durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss, erscheint daher denkbar, dass der BGH schon jetzt ähnlich strenge Maßstäbe ansetzen wird.

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