August 2024 Blog

Keine wirksamen Beschlüsse bei Eventualeinladung ohne Satzungsermächtigung

Enthält eine Vereinssatzung die Klausel, dass bei Beschlussunfähigkeit der einberufenen Mitgliederversammlung zu einer neuen Versammlung eingeladen werden kann, die ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlussfähig ist, droht gleichwohl die Nichtigkeit deren Beschlüsse. 

Sachverhalt

Die Satzung des betroffenen Vereins enthielt in § 16 eine Regelung, wonach Satzungsänderungen 2/3 der Stimmen der in der Mitgliederversammlung anwesenden Mitglieder erforderlich sind, wobei die Hälfte der Mitglieder anwesend sein müsse. Sei diese Anwesenheitsquote nicht erreicht, müsse eine weitere Mitgliederversammlung einberufen werden, die dann berechtigt sei, die Satzung ohne Mitgliedermindestanzahl zu ändern.

In der Einladung zu einer Jahreshauptversammlung, in der über eine Satzungsänderung beschlossen werden und die am 27.6.2023 um 18 Uhr stattfinden sollte, hieß es, dass im Falle der Beschlussunfähigkeit am gleichen Tag um 18.15 Uhr eine weitere Versammlung erfolgen werde. In der Versammlung um 18 Uhr waren nicht 50% der Mitglieder anwesend. In der um 18.15 Uhr eröffneten Versammlung wurde die Satzungsänderung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen angenommen.

Das Amtsgericht hat die Anmeldung des Vereins, dass § 16 der Satzung geändert worden sei abgelehnt und der Beschwerde des Vereins nicht stattgegeben. Das OLG Karlsruhe bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

Entscheidung

Das Amtsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Satzungsänderung auch in der zweiten Versammlung ab 18.15 Uhr nicht ordnungsgemäß beschlossen wurde. Zwar habe die Satzung in § 16 vorgesehen, dass im Fall der Beschlussunfähigkeit einer Mitgliederversammlung zu einer weiteren Versammlung einzuladen sei, die dann auch ohne die Mindestteilnehmerzahl die Satzung habe ändern können. Vorliegend liege jedoch eine sog. Eventualeinladung vor, also eine bereits mit der ursprünglichen Einladung verbundene vorsorgliche Einladung zu einer zweiten Versammlung. Diese zweite Einladung war also von dem Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht worden, nämlich dem Verfehlen der Mindestteilnehmerzahl in der ersten Versammlung. Dies aber sei nur zulässig, wenn die Satzung eine derartige Eventualeinladung vorsehe. Genau das aber war vorliegend, so der Senat, nicht der Fall. Die gefassten Beschlüsse waren daher nichtig.

Anmerkung

Das OLG Karlsruhe stützt sich in seinem Beschluss auf eine Argumentation, die zwar zuvor bereits mehrfach obergerichtlich bemüht worden ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 24.11.2008 - 2 Wx 43/08; BayObLG, Beschluss vom 18. September 2002 – 3Z BR 148/02) und auch von der Kommentarliteratur befürwortet wird (vgl. BeckOK BGB/Schöpflin, 70. Ed. 1.5.2024, BGB § 32 Rn. 11). Gleichwohl dürfte dies in der vereinsrechtlichen Praxis – nicht nur im Einzelfall – anders gesehen werden, wie der vorliegende Fall verdeutlicht. Dort war man offenbar der Auffassung, mit dem Hinweis auf die zweite Versammlung um 18.15 Uhr dem Erfordernis des § 16 der Satzung genüge getan und mit der Ersteinladung auch „zu einer weiteren Versammlung eingeladen“ zu haben. Zumal nach der Rechtsprechung des BGH die Ladung zur zweiten Mitgliederversammlung mit derselben Tagesordnung unter erleichterten Voraussetzungen (so genannte Eventualladung), wie sie der Verein hier praktiziert hat, im Grundsatz keinen rechtlichen Bedenken begegnet (BGH, NJW-RR 1989, 376). 

Trotzdem liegt das OLG Karlsruhe mit seiner Entscheidung richtig, auch wenn es in seiner Begründung lediglich formal darauf hinweist, dass Eventualeinladungen ohne Satzungsregelung unzulässig sind. Warum dies so ist, ergibt sich jedoch bereits aus dem Wortlaut der Satzungsregelung. In § 16 war geregelt, dass eine weitere Versammlung einzuberufen ist, sollte die erste Versammlung beschlussunfähig sein. Bereits der Wortlaut der Satzungsregelung sieht also vor, dass der zweiten Einladung die Beschlussunfähigkeit der ersten Versammlung zeitlich voranzugehen hat. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall: Die zweite Einladung erfolgte zugleich mit der ersten und war durch die Beschlussunfähigkeit in der ersten Versammlung bedingt. Dieses zeitliche Erfordernis hat auch seine gute Berechtigung. Diese liegt darin, dass die Vereinsmitglieder durch die satzungsmäßig vorgeschriebene zweite Einladung nochmals ausdrücklich davor gewarnt werden sollen, dass in der nunmehr anstehenden Versammlung die angekündigten satzungsändernden Beschlüsse bereits durch eine relative Minderheit gefasst werden können. Den Mitgliedern soll die Möglichkeit gegeben werden, nach dem Scheitern der ersten Versammlung mit den anderen Mitgliedern zur Klärung der Standpunkte in Kontakt zu treten und durch ein Erscheinen in der zweiten Versammlung ihre eigenen, möglicherweise entgegenstehenden Vorstellungen zu den anstehenden Fragen zu vertreten. Bei einer Eventualladung aber, d.h. der Ladung zur zweiten Versammlung zugleich mit der Ladung zur ersten Versammlung, entfällt dieser Schutz. Eine solche Verschlechterung der Rechtsstellung der Mitglieder bedarf einer eindeutigen Grundlage in der Satzung (vgl. BayObLG, a.a.O.). 

(OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.04.2024, Az.: 19 W 21/24 Wx)

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