Juni 2024 Blog

§ 40 Abs. 1a LFGB: Strenge Anforderungen an die Information der Öffentlichkeit bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht

Der VGH Mannheim, Beschl. v. 01.02.2024 – 9 S 1954/23, hebt in seiner Entscheidung hervor, dass die einzelfallbezogene Überprüfung und konkrete Bewertung der Kontaminationsrisiken erforderlich ist, um eine Veröffentlichung über die Ergebnisse behördlicher Kontrollen in Produktionsstätten veranlassen zu können. Fälle, in denen allein Ekel und Widerwillen bei Verbrauchern ausgelöst werden können, rechtfertigen grundsätzlich nicht die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB.

Zum Sachverhalt

In einem Bäckereibetrieb mit mehr als 100 Filialen wurden bei einer Kontrolle der Produktionsstätte durch die Lebensmittelbehörde im Trockenlager Mäusekot und Urinspuren festgestellt, unter anderem an der Außenseite von Gärkörben. Zwischen den Rollwagen kam eine lebende Maus zum Vorschein. Die Lebensmittelbehörde wertete dies als Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b) der Verordnung (EG) 178/2002 („Lebensmittelbasisverordnung“) und kündigte eine Information der Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Kontrolle gemäß § 40 Abs. 1a LFGB an.

Der Bäckereibetrieb beantragte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die vorläufige Untersagung der Veröffentlichung der Informationen über das Ergebnis der Kontrolle. Nach erfolglosem erstinstanzlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung obsiegte der Bäckereibetrieb nach Einlegung der Rechtsbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim.

Entscheidung

Mit Beschluss vom 1. Februar 2024 untersagte der zuständige Senat des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim die Veröffentlichung des Ergebnisses der amtlichen Kontrolle vorläufig. Zur Begründung führt das Gericht an, die verschiedenen denkbaren Kontaminationswege im Hinblick auf Art. 14 Abs. 2 lit. b), Abs. 5 der Lebensmittelbasisverordnung seien einzelfallbezogen zu betrachten und die damit einhergehenden Kontaminationsrisiken konkret zu bewerten. Im vorliegenden Fall seien gravierende und weitreichende Verunreinigungen durch Nichtbeachtung hygienischer Mindestanforderungen, welche zur Ungeeignetheit des Lebensmittels zum menschlichen Verzehr führen könnten, nicht feststellbar gewesen. Insbesondere könne nicht nachgewiesen werden, dass die Teiglinge in direktem Kontakt mit der Maus oder mit dem an den Gärkörben befindlichen Mäusekot gekommen seien, sodass eine konkrete Kontamination nicht gegeben sei.

Ausdrücklich unterstreicht der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss, dass an die Tatsachengrundlage des Verdachts der Ungeeignetheit zum menschlichen Verzehr bei einer Information der Öffentlichkeit im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB von Verfassung wegen besondere Anforderungen zu stellen seien. Wegen der potentiell irreversiblen Folgen einer unrichtigen Veröffentlichung und dem damit verbundenen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sei besondere Sorgfalt geboten. 

Der Senat betont – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes Freiburg in erster Instanz –, dass Fälle, in denen allein Ekel und Widerwillen bei den Verbrauchern ausgelöst werden könnten, ohne dass eine Kontamination feststellbar sei, grundsätzlich nicht zur Ungeeignetheit des Lebensmittels zum menschlichen Verzehr führen dürften. Das bloße Vorhandensein einer Maus bzw. von Mäusekot in einem Produktionsraum stelle keinen erheblichen Verstoß gegen die vorgeschriebenen Hygieneanforderungen dar und rechtfertige folglich auch keine Veröffentlichung. Ansonsten werde die Veröffentlichung einer nicht lebensmittelbezogenen allgemeinen Warnung vor unhygienischen Verhältnissen gleichgestellt, die § 40 Abs. 1a LFGB gerade nicht vorsehe. Dabei verweist der Senat ausdrücklich auf eine erst kurz vorher ergangene Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes in einem ähnlich gelagerten Fall (Nds. OVG, Beschluss vom 26. Januar 2024 – 14 ME 131/23). 

Praktische Auswirkungen

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim ist zu begrüßen. Der Senat hat den Sachverhalt mit hinreichender Gewissheit ermittelt und sich ausführlich mit den Tatsachenfeststellungen auseinandergesetzt. Zu Recht legt das Gericht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1a LFGB verfassungskonform aus und differenziert zwischen Fällen, in denen tatsächlich die Gefahr einer Kontamination besteht und jenen Sachverhalten, in denen – wie hier – bloß eine innere Abneigung bei Verbrauchern hervorgerufen werden kann. Dabei berücksichtigt der Senat richtigerweise die möglicherweise weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen für das betroffene Unternehmen bei einer Information der Öffentlichkeit und beleuchtet die potentiell irreversiblen Folgen einer unrichtigen Veröffentlichung, bei der insbesondere der Name des Unternehmens und weitere Details bekanntgegeben werden. 

Die Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass Veröffentlichungen kaum noch stattfinden. Lebensmittelunternehmer sind weiterhin angehalten, die Einhaltung der Hygienevorschriften stets zu prüfen und zu dokumentieren, da schuldhaft verursachte Verstöße hiergegen unter Umständen zu Bußgeldern oder Sanktionierung wegen einer Straftat führen könnten (§ 59 Abs. 1 lit. 9, Abs. 2 Nr. 1a lit. a) LFGB sowie § 60 Abs. 1 Nr. 1 LFGB).

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