April 2024 Blog

Nullemissionsgebäude bis 2050: Neue europäische Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden

Ab 2040 soll es in der EU keine fossilen Heizkessel mehr geben, schrittweise wird eine Solarpflicht eingeführt und bis 2050 soll das „Nullemissionsgebäude“ zum neuen Effizienzstandard werden.

Ziele der Gebäuderichtlinie

Am 12. April hat der Rat der Europäischen Union die Neufassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden („Gebäuderichtlinie“) angenommen. Zuletzt hatte im März bereits das Parlament dem Entwurf zugestimmt. In Kürze wird die Richtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Die Gebäuderichtlinie 2010/31/EU wurde im Jahr 2010 erlassen und wird mit der Neufassung grundlegend überarbeitet.

Die 27 EU-Mitgliedsstaaten haben sich im Rahmen des Green Deals darauf geeinigt, dass die EU bis 2050 klimaneutral sein soll. Außerdem sollen die Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 um 55 % im Vergleich zu 1990 reduziert werden. In der EU entfallen 36 % der energiebedingten Treibhausgasemissionen und 40 % des Endenergieverbrauchs auf Gebäude. Deshalb gilt die Dekarboniserung des Immobiliensektors als unerlässlich, um die Klimaziele zu erreichen. Dies soll durch den Bau von effizienteren Neubauten, eine höhere Renovierungsrate von Bestandsgebäuden und die drastische Reduzierung des Primärenergieverbrauchs erreicht werden. Außerdem sollen die Mitgliedsstaaten eine Solarpflicht für Gebäude einführen.

Nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU wird die Richtlinie sofort in Kraft treten. Anschließend haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen. Erst nach Umsetzung in nationales Recht lassen sich die Auswirkungen der Richtlinie konkretisieren. Die Umsetzung ist daher zwingend im Blick zu behalten und bereits jetzt sollten die Vorgaben der Gebäuderichtlinie, insbesondere bei Projektentwicklungen und Refurbishments, berücksichtigt werden.

Einzelne Regelungen der Gebäuderichtlinie

Nationale Gebäuderenovierungspläne (Artikel 3 der Gebäuderichtlinie)

Um die angestrebte Effizienzsteigerung des Gebäudesektors zu erreichen, sollen die Mitgliedsstaaten jeweils nationale Gebäuderenovierungspläne erstellen. Die Gebäuderenovierungspläne sind der Ablaufplan, nach dem Bestandsgebäude in hoch effiziente „Nullemissionsgebäude“ umgestaltet werden und so das Ende von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln bis zum Jahr 2040 gelingen sollen. Ein „Nullemissionsgebäude“ ist ein Gebäude mit einer sehr hohen Gesamtenergieeffizienz, das keine Energie oder eine sehr geringe Energiemenge benötigt, keine CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen am Standort verursacht und keine oder eine sehr geringe Menge an betriebsbedingten Treibhausgasemissionen verursacht (Art. 2 Nr. 2 Gebäuderichtlinie).

Ab 2045 sind in Deutschland nach dem zum 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Gebäudeenergiegesetz (GEG) – auch bekannt als „Heizungsgesetz“ – Heizkessel, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, verboten.

Standards für Gebäude und Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz (Artikel 2 Nr. 2, 3; 7 – 9; 19 der Gebäuderichtlinie)

Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz

Bislang bestanden bei den Energieeffizienzklassen der einzelnen Mitgliedsstaaten erhebliche Unterschiede. Durch die Vorgaben der Gebäuderichtlinie haben die Mitgliedsstaaten nun unter Beachtung der europäischen Vorgaben ein System für die Erstellung von Ausweisen über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden einzuführen. Ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz soll unter anderem folgende Angaben enthalten

  • die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes ausgedrückt durch einen numerischen Indikator für den Primärenergieverbrauch in kWh/(m²·a) (Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr),
  • Mindestanforderungen und-vorgaben für die Gesamtenergieeffizienz sowie
  • Anforderungen an Nullemissionsgebäude und Niedrigstenergiegebäude.

Europaweit verpflichtend ist dabei die Nutzung einer Skala der Buchstaben A bis G nach Vorlage der Gebäuderichtlinie. Buchstabe A entspricht „Nullemissionsgebäuden“ und Buchstabe G den Gebäuden mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz im nationalen Gebäudebestand zum Zeitpunkt der Einführung der Skala.

Neubauten

Der Standard „Nullemissionsgebäude“ soll zu unterschiedlichen Zeitpunkten für bestimmte Gebäudetypen verpflichtend sein.

  • Ab 1. Januar 2028 für neue öffentliche Gebäude,
  • für alle neuen Gebäude ab 1. Januar 2030 und
  • bei einer „umfassenden Renovierung“ ebenfalls ab 1. Januar 2030.

Eine „umfassende Renovierung“ ist gemäß Art. 2 Nr. 20 der Gebäuderichtlinie der Umbau eines Gebäudes oder Gebäudeteils zu einem Niedrigst- oder Nullemissionsgebäude, der im Einklang mit dem Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ erfolgt und schwerpunktmäßig die wesentlichen Gebäudekomponenten betrifft. Der Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ ist ein europäisches Leitprinzip, nach dem die Gesamteffizienz des integrierten Energiesystems, die Versorgungssicherheit und die Kosteneffizienz berücksichtigt und dabei die effizientesten Lösungen für die Klimaneutralität erzielt werden sollen, um so Effizienzgewinne beim Primär- als auch bei Endenergieverbrauch zu erreichen. 

Bevor die bestimmten Gebäudetypen verpflichtend den Standard „Nullemissionsgebäude“ aufzuweisen haben, müssen sie den Standard „Niedrigstenergiegebäude“ erreicht haben. Ein „Niedrigstenergiegebäude“ ist ein Gebäude mit einer sehr hohen Gesamtenergieeffizienz und bei dem der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird (Art. 2 Nr. 3 der Gebäuderichtlinie). Die erneuerbaren Quellen umfasst dabei auch Energie, die am Standort erzeugt oder in der Nähe erzeugt wird.

Die in Deutschland verpflichtenden Effizienzstandards (KfW 55) sind in §§ 15 (Wohngebäude) und 18 (Nichtwohngebäude) GEG geregelt. Der Jahresprimärenergiebedarf muss beim KfW 55-Standard 45 % unter dem eines Gebäudes liegen, das den Vorgaben des GEG entspricht.

Bestand

Auch für den Bestand beinhaltet die Richtlinie neue und strengere Anforderungen. Die Mitgliedsstaaten haben Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz (maximale Energieverbrauchsmenge) festzulegen. Außerdem müssen sie die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit die Summe des Energieverbrauchs aller Nichtwohngebäude bis zum 1. Januar 2030 im Vergleich zum 1. Januar 2020 niedriger ist als bei 16 % der Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz (Gesamtenergieeffizienzklasse G). Bis 1. Januar 2033 soll diese Summe des Energieverbrauchs bereits niedriger als bei 26 % der Gebäude mit der Gesamtenergieeffizienzklasse G. Die Einhaltung dieser Schwellenwerte (16 bzw. 26 %) soll anhand von den Ausweisen über die Gesamtenergieeffizienz durch die Mitgliedsstaaten überprüft werden.

Im Gegensatz zur Regelung bei Nichtwohngebäuden soll es bei Wohngebäuden keine auf einzelne Gebäude bezogene Betrachtung geben. Die Mitgliedsstaaten sollen den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch des Wohngebäudebestands verringern. Bis zum Jahr 2030 soll der durchschnittliche Primärenergiebereich in diesem Sektor um mindestens 16 %, bis 2035 um mindestens 20 – 22 % sinken.

Damit durch die Regelung auch Gebäude mit einer schlechten Energieeffizienz umgestaltet werden, besteht die Einschränkung nach Artikel 9 Unterabsatz 2 der Gebäuderichtlinie. Danach sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass mindestens 55 % der Reduzierung des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs durch die Renovierung von 43% der Wohngebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz erreicht wird.

Solarpflicht (Artikel 10 der Gebäuderichtlinie)

Eine weitere wichtige Regelung der Novelle ist die Solarpflicht. Neubauten sollen grundsätzlich so konzipiert werden, dass die Erzeugung von Solarenergie in der Zukunft möglich ist. Solarenergieanlagen müssen zukünftig auf Gebäuden errichtet werden, sofern dies technisch möglich sowie wirtschaftlich und funktional umsetzbar ist.

Spätestens Ende 2026 soll die Solarpflicht für alle neuen öffentlichen Gebäude und neue Nichtwohngebäude mit einer Nutzfläche (in Art. 2 Nr. 20 Gebäuderichtlinie definiert als die Fläche des Bodens eines Gebäudes) von mehr als 250 qm gelten.

Für bestehende öffentliche Gebäude ist die Frist an die Größe der Nutzfläche geknüpft. Die Solarpflicht gilt für Flächen mit einer Nutzfläche von mehr als 2000 qm spätestens zum 31. Dezember 2027, mit einer Nutzfläche von mehr als 750 qm spätestens bis 31. Dezember 2028 und mit einer Nutzfläche von mehr als 250 qm spätestens bis 31. Dezember 2030. Für bestehende Nichtwohngebäude mit einer Nutzfläche von mehr als 500 qm, die einer größeren Renovierung oder einer Maßnahme unterzogen werden, die eine behördliche Genehmigung für Gebäuderenovierungen, Arbeiten am Dach oder den Einbau einer technischen Gebäudeausrüstung bedürfen, gilt die Solarpflicht spätestens mit Ablauf des Jahres 2027.

In Deutschland gibt es in bestimmten Bundesländern bereits eine Solarpflicht. Die Solarpflicht gilt in Niedersachsen (§ 32a Nds-BauO), Nordrhein-Westfalen (§ 8 Absatz NRWBauO), Baden-Württemberg (§§ 8a, 8b KSB BW), Hamburg (§ 16 HmbKliSchG), Berlin (§ 3 Solargesetz Berlin), Hessen (§ 9a HEG), Bayern (Art. 44a BayBO), Rheinland-Pfalz (§ 4 LSolarG), Schleswig-Holstein (§§ 10, 11 EWKG), Brandenburg (§ 32a BbgBauO) und ab 2025 auch in Bremen (§ 2 BremSolarG).

Ausblick

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, den Energieverbrauch zu senken und Energie aus erneuerbaren Quellen im Gebäudesektor zu nutzen, um die Treibhausgasemissionen zu verringern. Durch die überarbeitete Gebäuderichtlinie werden die Vorgaben für Gebäude dahingehend nochmals verschärft. Mit der Verpflichtung für die Mitgliedsstaaten, nationale Gebäuderenovierungspläne zu erstellen, wird der Weg zur Dekarbonisierung des Immobiliensektors geebnet. Es bedarf einer erneuten Änderung des deutschen GEG, da die europäische Richtlinie das Ende fossiler Heizkessel zum Jahr 2040 festgesetzt hat. In Deutschland wird der Betrieb von Heizkesseln, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, ab 1. Januar 2045 verboten sein. Außerdem soll die Gesamtenergieeffizienz bei Neubauten durch die Einführung des „Nullemissionsgebäude“-Standards und im Bestand durch die Reduzierung des durchschnittliche Primärenergieverbrauchs verbessert werden. Die schrittweise Einführung einer Solarpflicht für bestimmte Gebäudetypen zwingt zur vermehrten Nutzung erneuerbarer Energien. Deutschland hat dieser Verpflichtung durch die in den meisten Bundesländern bereits bestehende Solarpflicht vorgegriffen. Die Gebäuderichtlinie zwingt die Mitgliedsstaaten i.Ü. dazu, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionsvorschriften zu erlassen, die bei einem Verstoß gegen die Richtlinie greifen. Ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung im Amtsblatt hat Deutschland zwei Jahre Zeit für die Umsetzung der neuen Regelungen.

Henriette Breitkopf
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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