Umfassende Meldepflicht der Laborverantwortlichen
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass eine Meldepflicht der Labore auch dann besteht, wenn eine Analyse im Rahmen einer Freigabeuntersuchung durchgeführt wurde und das Inverkehrbringen des Produktes vom Analyseergebnis abhängig gemacht werden sollte.
Zum Sachverhalt
Die Klägerin betreibt bundesweit private Laboratorien und führt unter anderem im Auftrag von Lebensmittelunternehmen Analysen bei Lebensmitteln durch. Von einer Auftraggeberin wurde sie mit einer mikrobiologischen Untersuchung von Mandelkernen beauftragt. Die Probe des Produkts wurde positiv auf Salmonellen getestet. Das Labor informierte hiervon die Auftraggeberin und bat um weitere Informationen, unter anderem um Mitteilung, ob das Produkt als Lebensmittel in Deutschland in den Verkehr gebracht worden sei. Die Auftraggeberin verneinte das. Daraufhin entschied ein Mitarbeiter der Klägerin, den Fall nicht gemäß § 44 Abs. 4a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) zu melden. Der Überwachungsbehörde wurde der Prüfbericht bei einer Kontrolle im Betrieb der Auftraggeberin bekannt. Mit Bußgeldbescheid legte die Behörde gegen das Labor eine Geldbuße fest, weil es die zuständige Behörde nicht unterrichtet habe. Gegen den Bescheid wurden Rechtsmittel eingelegt. In zweiter Instanz wurde vom Oberverwaltungsgericht die Revision wegen grundsätzliche Bedeutung zugelassen.
Grundlegende Entscheidung
Mit Urteil vom 14. Dezember 2023 stellte der zuständige Senat fest, dass das Labor gemäß § 44 Abs. 4a Satz 1 LFGB verpflichtet war, die zuständige Behörde von der mikrobiologischen Untersuchung der beprobten Mandelkerne zu unterrichten.
Nach § 44 Abs. 4a Satz 1 LFGB hat der Verantwortliche eines Labors, das Analysen bei Lebensmitteln durchführt, die zuständige Behörde unter anderem von dem Ergebnis einer Analyse unverzüglich zu unterrichten, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass das Lebensmittel einem Verkehrsverbot nach Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 unterliegen würde. Letzteres ist der Fall, wenn davon auszugehen ist, dass das untersuchte Produkt gesundheitsschädlich oder für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist.
Hiervon ist nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch anzugehen, wenn das Labor die Analyse im Rahmen einer sogenannten Freigabeuntersuchung durchgeführt hat, d. h. wenn der auftraggebende Lebensmittelunternehmer das Inverkehrbringen des Lebensmittels von einer beanstandungsfreien Analyse abhängig gemacht bzw. dem Labor erklärt hat, das Lebensmittel in dem unsicheren Zustand nicht in den Verkehr zu bringen.
Für das Bestehen der Mitteilungspflicht kommt es nach Auffassung des Senats - anders als möglicherweise für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit - auf die subjektive Vorstellung des Laborverantwortlichen und die Vertretbarkeit seiner rechtlichen Bewertung der tatsächlichen Umstände nicht an.
Anhaltspunkte dafür, dass Laborverantwortliche bei einer Freigabeuntersuchung nicht meldepflichtig sein sollen, ergäben sich weder aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 4a Satz 1 LFGB noch aus der Entstehungsgeschichte der Norm und würden zudem nicht durch die Gesetzessystematik gestützt.
Auch liege kein Wertungswiderspruch darin, dass Lebensmittelunternehmer das Analyseergebnis des Labors nicht melden und zudem die Behörde auch dann nicht unterrichten müssen, wenn sie ohne Analyse in einem Labor Grund zu der Annahme haben, dass ein hergestelltes, aber noch nicht in Verkehr gebrachtes Lebensmittel einem Verkehrsverbot unterliegen würde. Es bestünde gerade ein berechtigtes Interesse daran, bei einem positiven Analyseergebnis bereits den Laborverantwortlichen zur Meldung zu verpflichten. So werde der Behörde zum frühestmöglichen Zeitpunkt Kenntnis von der Beanstandung verschafft und die Möglichkeiten, wirksam zu kontrollieren, ob der betroffene Unternehmer seine lebensmittelrechtlichen Pflichten erfüllt, verbessert.
Obgleich die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 lediglich die Lebensmittelunternehmer zu einer Unterrichtung der zuständigen Behörde verpflichtet und eine entsprechende Verpflichtung der Labore oder Laborverantwortlichen, die zuständige Behörde von positiven Analyseergebnissen zu unterrichten, nicht vorgesehen sei, sei die Regelung nach Auffassung des Dritten Senats mit Blick auf den Schutzzweck der Verordnung auch offenkundig mit dem Unionsrecht vereinbar. So ergäbe sich auch aus dem Umstand, dass ein Futtermittelunternehmer, der ein Labor mit der Durchführung einer Untersuchung seines Erzeugnisses auf Dioxine beauftragt hat, das Labor nach Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 anweisen muss, eine festgestellte Überschreitung der festgelegten Dioxinhöchstgehalte der zuständigen Behörde zu melden, nicht, dass das Unionsrecht den Kreis der Meldepflichtigen abschließend geregelt habe. Vielmehr fehle für die Annahme, die Europäische Union habe die Mitgliedstaaten hindern wollen, aufgrund nationaler Rechtsvorschriften bei Laboren Informationen über unsichere Lebensmittel zu gewinnen, ein Anhaltspunkt.
Zwar greife die Meldepflicht, dies stellt die Entscheidung heraus, in die Berufsausübungsfreiheit der Laborbetreiber ein, doch sei der Eingriff gerechtfertigt und die Regelung verhältnismäßig. So werde der zuständigen Behörde zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Information, dass ein Lebensmittel wahrscheinlich nicht sicher ist, verschafft und ihr dadurch ermöglicht, wirksam zu überwachen, ob die betroffenen Lebensmittelunternehmer ihre lebensmittelrechtlichen Pflichten erfüllen. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich.
Praktische Auswirkungen
Obgleich sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung mit Fragen des Lebensmittelrechts befasst hat, ist davon auszugehen, dass das Urteil gleichermaßen Wirkung für das Futtermittelrecht entfalten wird. Zwar besteht insoweit die vom Senat angesprochene Sonderregelung im Rahmen der Dioxinüberwachung, doch ist anzunehmen, dass auch hier - trotz der eindeutigeren europäischen Rechtslage - das Argument der Zulässigkeit schärferer nationale Rechtsvorschriften verfängt. Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer sollten Ware im Verdachtsfall stets unverzüglich sperren und nach eingehenden Prüfung ihrer Waren schnellstmöglich alle erforderlichen Schritte einleiten.
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14. Dezember 2023 - BVerwG 3 C 7.22)