September 2024 Blog

Folgen der einseitigen Erledigungserklärung in der Revisionsinstanz und einer wirksamen Revisionszulassungsbeschränkung

Der BGH hat mit Urteil vom 23. Juli 2024 erneut zur Auslegung einer einseitigen Erledigungserklärung in der Revisionsinstanz Stellung genommen. Zudem befasste er sich mit den Inhaltsanforderungen an Berufungsurteile sowie der Zulässigkeit einer Anschlussrevision im Falle einer wirksamen Revisionszulassungsbeschränkung.  

Sachverhalt

Gegenstand des dem Urteil des BGH zugrundeliegenden Rechtsstreits ist die Inanspruchnahme der Beklagten auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall durch die Klägerin.

Das mit dem Fall befasste Ausgangsgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 102,- (Verbringungskosten, Desinfektionskosten, weitere Unkosten) nebst Zinsen. Im Übrigen wies es die Klage, insbesondere im Hinblick auf die in Bezug auf den merkantilen Minderwert geltend gemachte Umsatzsteuer, ab.

Auf die Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das Urteil des Ausgangsgerichts auf und verurteilte die Beklagte zunächst zur Zahlung von EUR 64,- an die Klägerin. Im Wege eines ersten Berichtigungsbeschlusses änderte das Berufungsgericht seine Entscheidung und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 112,-. Durch zweiten Berichtigungsbeschluss erfolgte schließlich eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 166,- EUR. Im Hinblick auf die in Bezug auf den merkantilen Minderwert geltend gemachte Umsatzsteuer hielt das Berufungsgericht an der vom Ausgangsgericht vorgenommenen Abweisung der Klage fest. Die Revision wurde seitens des Berufungsgericht lediglich im Hinblick auf die Frage der Netto- bzw. Bruttoberechnung des merkantilen Minderwerts zugelassen.

Mit der nach Erlass des ersten Berichtigungsbeschlusses begründeten Revision beantragte die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils (in der damaligen ersten Berichtigungsfassung), soweit hierin zum Nachteil der Klägerin entschieden wurde. Nach Erlass des zweiten Berichtigungsbeschlusses erklärte die Klägerin die Revision in Bezug auf die im Wege der Berichtigung zugesprochenen EUR 54,- für erledigt. Die Beklagte widersprach der Teilerledigungserklärung und beantragte im Wege der Anschlussrevision das berichtigte Berufungsurteil aufzuheben, soweit hierin zum Nachteil der Beklagten entschieden wurde.

Entscheidung des BGH

Einseitige Erledigungserklärung

Der BGH befasste sich im Rahmen seiner Entscheidung zunächst mit der Teilerledigungserklärung der Klägerin in Bezug auf die von ihr eingelegte Revision. Da die Beklagte der Erledigungserklärung widersprochen hat, sei diese als Antrag der Klägerin auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Revision anzusehen. Nach Auffassung des BGH ist solch eine auf ein Rechtsmittel bezogene einseitige Erledigungserklärung zulässig, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung erzielt werden kann und zudem die Zulässigkeit oder Begründetheit des das Rechtsmittel erledigenden Ereignis als solches außer Streit steht.

Vorliegend erachtete der BGH den Antrag der Klägerin auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Revision als unzulässig, da es aus seiner Sicht an einer Erledigung fehlte. Ein Rechtsmittel gilt als erledigt, wenn ein ursprünglich zulässiges und begründetes Rechtsmittel nachträglich unzulässig oder unbegründet wird. Da die Beschränkung der Revisionszulassung auf die den Ersatz des merkantilen Minderwerts betreffende Klageabweisung durch das Berufungsgericht aus Sicht des BGH wirksam war, sei die Revision der Klägerin, soweit sie darüber hinausging, von Anfang an unzulässig gewesen.

Anforderungen an Berufungsurteile

Nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO kann das Berufungsgericht den Tatbestand durch Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des Ausgangsgerichts sowie sich aus dem Vortrag oder den Schriftsätzen der Parteien ergebenden Berichtigungen, Änderungen und Ergänzungen ersetzen. Lässt das Berufungsgericht die Revision jedoch zu oder unterliegt das Berufungsurteil der Nichtzulassungsbeschwerde, müssen sich die Grundlagen der Entscheidung zum Zwecke der revisionsrechtlichen Überprüfung nach Auffassung des BGH jedoch aus dem Urteil oder dem Sitzungsprotokoll erschließen. Zudem müsse dem Urteil des Berufungsgerichts entnommen werden können, von welchem Sach- und Streitstand es ausgegangen ist und welche Anträge die Parteien im Berufungsverfahren gestellt haben. Wird das Berufungsurteil diesen Anforderungen nicht gerecht, leide es an einem von Amts wegen zu berücksichtigen Verfahrensmangel mit der Folge der Aufhebung durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.

Diesen Anforderungen wurde das vorliegende Berufungsurteil aus Sicht des BGH allerdings nicht gerecht. Obwohl das Berufungsgericht die Revision – wenn auch beschränkt – zuließ, sah es von der Darstellung eines Tatbestandes unter Verweis auf §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ab, sodass sich dem Berufungsurteil die notwendigen tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen nicht entnehmen ließen. Unter anderem sei nicht erkennbar, wie der merkantile Minderwert ermittelt wurde oder ob der Berufungsantrag auch Nebenforderungen erfasste.

Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision

Abschließend befasste sich der BGH mit der Anschlussrevision der Beklagten. Diese sei aus Sicht des BGH zulässig, obwohl das Berufungsgericht die Revision lediglich beschränkt für die Abweisung der Klage auf Ersatz des merkantilen Minderwerts zugelassen hat.

Nach § 554 Abs. 2 S. 1 ZPO - wonach die Statthaftigkeit der Anschlussrevision nicht voraussetze, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden sei - kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung grds. auch eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff der Zulassung betrifft. Unzulässig sei die Einlegung einer Anschlussrevision hingegen, wenn sie einen Lebenssachverhalt betreffe, welcher mit dem Streitgegenstand der Revision nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang stehe.

Im vorliegenden Fall bestand nach Auffassung des BGH ein wirtschaftlicher Zusammenhang, da die die Revision und die Anschlussrevision betreffenden Schadensposten (merkantiler Minderwert und Verbringungskosten) aus ein und demselben Schadensereignis resultierten.   

(BGH, Urteil vom 23. Juli 2024 – VI ZR 427/23)

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