Vage Anhaltspunkte für eine Straftat rechtfertigen keine Hausdurchsuchung; auch nicht bei einem Justitiar mit Prokura
Mit Beschluss vom 13. März 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die verfas-sungsrechtlichen Anforderungen an eine Wohnungsdurchsuchung zum wiederholten Mal bekräftigt. Die Durchsuchung einer Wohnung setzt den Verdacht einer Straftat voraus, der auf konkreten Tatsachen beruhen muss. Nur vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen rechtfertigen einen Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Artikel 13 Absatz 1 GG nicht. Und erst recht darf eine Durchsuchung nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind. Denn diese setzen einen Verdacht bereits voraus.
Sachverhalt
Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lag eine Verfassungsbeschwerde zugrunde, mit der sich ein Prokurist, der gleichzeitig Leiter der Rechtsabteilung des Unternehmens aus dem Bereich der Rüstungsindustrie ist, gegen die Durchsuchung seiner Privatwohnung gewehrt hat. Dieser hatte zuvor von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Umfeld seines Unternehmens aus der Presse erfahren. In Folge dessen sah er sich veranlasst, die ihm bekannt gewordenen Vorwürfe im Zusammenhang mit illegalen Waffenlieferungen ins Ausland intern aufzuarbeiten und das Verteidigungsvorbringen des Unternehmens vorzubereiten. Er stellte daraufhin Unterlagen zusammen und sicherte die aus seiner Sicht verfahrensrelevanten Daten, um diese noch zu beauftragenden Anwälten zur Auswertung zu übergeben. Im Rahmen der Durchsuchung der Räumlichkeiten des Unternehmens entstand der Verdacht, dass es sich bei dem Vorgehen des Prokuristen nicht nur um eine „normale rechtliche Vorbereitung“ handeln könnte, sondern auch eine Beweismittelvernichtung bzw. -verschleierung bezweckt gewesen sein könnte. Daraufhin wurde ein Durchsuchungsbeschluss für die Wohnräume des nunmehr ebenfalls beschuldigten Justitiars erlassen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass die Wohnungsdurchsuchung rechtswidrig war. So ergebe sich insbesondere kein konkreter Tatverdacht aus dem Umstand, dass der Leiter einer Rechtsabteilung vor dem Hintergrund der durch einen Presseartikel bekanntgewordenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Umfeld des Unternehmens eigene Recherchen betreibt. Vielmehr sei ein entsprechendes Verhalten sachgerecht und spreche für eine Beweissicherung. Daraus könne weder der Verdacht geschöpft werden, sein Handeln habe auf eine Verschleierung von rechtswidrigen Taten abgezielt, noch könne daraus gefolgert werden, er sei an möglichen Straftaten beteiligt gewesen. Ferner begründe die Stellung als Leiter der Rechtsabteilung mit Prokura keinen entsprechenden Anfangsverdacht.
Fazit und Empfehlung
Die Position als Prokurist eines Unternehmens, in dessen Umfeld und gegen dessen Verantwortliche strafrechtlich ermittelt wird, kann für sich genommen den für eine Wohnungsdurchsuchung erforderlichen Verdacht einer Straftat nicht begründen. Ein Tatverdacht lässt sich auch nicht darauf stützen, dass ein Leiter der Rechtsabteilung Sachverhalte aufbereitet und Vorbereitungen zum Verteidigungsvorbringen des Unternehmens veranlasst.
Trotz der positiven und richtigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind Verantwortliche von Unternehmen, insbesondere aus der Rechtsabteilung, gut beraten, wenn sie sich frühzeitig nach Kenntnisnahme entsprechender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen anwaltlicher Beratung bedienen.
(BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss v. 13.03.2014 – 2 BvR 974/12)
Dr. Michael Nicolaus, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht