Unwirksamkeit einer Ausschlussklausel in Auslandskrankenversicherung
Klauseln in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen gemäß dem in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB normierten Transparenzgebot möglichst klar und verständlich sein. Lässt sich der Ausschlussklausel einer Auslandskrankenversicherung aus Sicht des durchschnittlichen Versicherten der Umfang des Leistungsausschlusses nicht entnehmen, ist diese nach Auffassung des BGH wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot unwirksam.
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, stritt mit der Beklagten um die Begleichung von Regressansprüchen nach der Regulierung eines Krankenversicherungsfalls des Versicherten.
Der Versicherte hatte im vorliegenden Fall eine Auslandskrankenversicherung bei der Klägerin abgeschlossen.
Über seine Kreditkarte verfügte der Versicherte daneben über eine weitere Auslandskrankenversicherung bei der Beklagten, welche seine Bank im Rahmen einer Gruppenversicherung zugunsten der Kreditkarteninhaber abgeschlossen hatte. In den Versicherungsbedingungen der Beklagten war folgende Ausschlussklausel enthalten:
„1.6. Ausschlüsse
Keine Leistungspflicht besteht:
1.6.1 Bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand, der der versicherten Person bekannt war, als sie die Kreditkarte beantragte, bzw. bei der Buchung der Reise, je nachdem, was am kürzesten zurückliegt, insbesondere, weswegen die versicherte Person:
a) Während der letzten zwölf Monate einen Krankenhausaufenthalt hatte.
b) Testergebnisse erwartet oder auf der Warteliste für eine Operation, Konsultation oder Untersuchung steht.
c) Innerhalb der letzten drei Monate begonnen hat, Medikamente einzunehmen oder die Einnahme geändert oder sich in Behandlung begeben hat.
d) Alle zwölf Monate oder häufiger eine medizinische, chirurgische oder psychiatrische Untersuchung benötigt.
e) Die Diagnose "unheilbar" und/oder "chronisch" erhalten hat.
[…]“
Der an Diabetes erkrankte Versicherte flog Ende 2018 nach Florida, wo er aufgrund einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes für ein paar Tage stationär behandelt werden musste. Die Kosten der medizinischen Behandlung wurden seitens der Klägerin übernommen, die infolge dessen anteiligen Ausgleich von der Beklagten verlangte. Die Beklagte hielt der Inanspruchnahme entgegen, dass die Behandlung durch bereits bei der Reisebuchung bestehende Erkrankungen notwendig geworden und ihre Leistungspflicht daher gemäß der in ihren Versicherungsbedingungen befindlichen Ausschlussklausel ausgeschlossen sei.
Entscheidung
Nach Auffassung des BGH steht die in Ziff. 1.6.1 der Versicherungsbedingungen der Beklagten enthaltene Ausschlussklausel einer Inanspruchnahme der Beklagten nicht entgegen, da diese wegen Verstoß gegen des aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB resultierenden Transparenzgebots unwirksam sei.
Die Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen sind nach dem Transparenzgebot verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Für eine in Versicherungsbedingungen enthaltene Ausschlussklausel folgt hieraus, dass die mit dieser verbundenen Nachteile und Belastungen soweit wie möglich für den Versicherten erkennbar sein müssen und dieser den verbleibenden Umfang der Versicherung erkennen können muss. Abzustellen ist hierbei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden.
Aus Sicht des BGH könne der durchschnittliche Versicherte Ziff. 1.6.1 der Versicherungsbedingungen der Beklagten nicht hinreichend klar entnehmen, wann eine Leistung der Beklagten ausgeschlossen sein soll. Er könne anhand dessen nicht einmal abschließend bestimmen, welche vor Reiseantritt bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu einem Leistungsausschluss führen können. Statt den zu einem Leistungsausschluss führenden medizinischen Zustand verständlich zu definieren, werde dieser nur durch eine nicht abschließende Reihe von Beispielen illustriert, aus welchen der Versicherte keine Schlussfolgerungen auf Schwere und Dauer der vom Ausschuss erfassten Erkrankungen ziehen könne.
Ungeachtet der Beurteilung des zum Ausschluss führenden medizinischen Zustands könne der Versicherte zudem nicht erkennen, in welchem Umfang das Bestehen des von der Klausel erfassten medizinischen Zustands den Versicherungsschutz ausschließe. Nach dem Wortlaut der Klausel soll „bei“ dem dort genannten medizinischen Zustand keine Leistungspflicht bestehen. Dem könne der Versicherte nach Auffassung des BGH nicht entnehmen, ob eine Leistungspflicht generell schon dann ausgeschlossen sein soll, wenn auf Seiten des Versicherten bereits ein ihm bekannter medizinischer Zustand vorlag oder ob lediglich die Leistung für eine Behandlung dieser Vorerkrankung während der Reise ausgeschlossen sein soll. Dass sich der Ausschluss – wie von der Beklagten beabsichtigt - auf die Behandlung einer während der Reise unvorhergesehen eingetretenen Erkrankung beziehen soll, welche mit dem bereits bekannten medizinischen Zustand zwar nicht identisch, aber durch diesen mitverursacht wurde, lasse sich der Klausel aus Sicht des BGH nicht entnehmen.
(BGH, Urteil vom 10. Juli 2024 – IV ZR 129/23)