Straffung von Verwaltungsgerichtsverfahren für bedeutsame Infrastrukturvorhaben
Der Bundestag hat am 10. Februar 2023 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung bedeutsamer Infrastrukturvorhaben (Bundestags-Drucksache 20/5165) beschlossen. Ziel des Gesetzes ist es, die Verfahrensdauer für Vorhaben mit einer „hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung“ weiter zu reduzieren, „ohne hierbei die Effektivität des Rechtsschutzes zu beeinträchtigen“. Begründet wird das Beschleunigungsinteresse zum einen mit der angestrebten Energiewende, zum anderen mit dem als erforderlich angesehenen Ausbau und der Erneuerung der verkehrlichen Infrastruktur. Die in dem Gesetz vorgesehenen Änderungen betreffen vor allem die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und beschränken sich damit auf den Verwaltungsprozess. Die Neuregelungen beinhalten insbesondere die folgenden Aspekte:
Entscheidung in kleiner Gerichtsbesetzung
Neu eingefügt wurde zunächst die Möglichkeit, dass die für die betroffenen Verfahren zuständigen Oberverwaltungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht in kleinerer Besetzung (Einzelrichter beim OVG, Besetzung mit drei Richtern beim BVerwG) entscheiden können, wenn eine Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Diese Regelung wurde erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahren ergänzt. Wie häufig dieser Anwendungsfall im Planfeststellungsrecht tatsächlich gegeben sein wird, erscheint fraglich. Eine zumindest gewisse Entlastung der Gerichte wäre jedoch begrüßenswert – auch wenn sie eine notwendige Personalaufstockung sicherlich nicht ersetzen kann.
Erweiterung der Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts in erster Instanz
Im Katalog derjenigen Vorhaben, für welche die Oberverwaltungsgerichte in erster Instanz zuständig sind, wurden die „Anlagen von Windenergie auf See im Küstenmeer“ ergänzt; im Katalog für die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts die „Vorhaben zur Errichtung und zur Anbindung von Terminals zum Import von Wasserstoff und Derivaten“, „die ihm nach den LNG-Beschleunigungsgesetz zugewiesenen Vorhaben“ sowie „die ihm nach dem Energiesicherungsgesetz zugewiesenen Verfahren“. Dies dient zum einen der besseren Übersichtlichkeit der Zuständigkeitszuweisungen. Zum anderen greifen hierdurch für die betroffenen Vorhaben die mit der Novelle verabschiedeten Beschleunigungsmechanismen.
Anpassung des Eilrechtsschutzes (neuer § 80c VwGO)
Eine wesentliche Änderung erfahren haben auch die Regelungen zum Eilrechtsschutz. Wie bereits im Entwurf der Bundesregierung vorgesehen, kann auf Grundlage des neu eingeführten § 80c VwGO ein Gericht zukünftig einen Mangel des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses außer Acht lassen, „wenn dieser in absehbarer Zeit behoben sein wird“. Entsprechende Planfeststellungsbeschlüsse bleiben nach dieser Regelung trotz (kleinerer) Mängel betreffend Verfahrens- oder Formvorschriften sowie die Abwägung vollziehbar, was im Hinblick auf die intendierte Beschleunigung grundsätzlich zu begrüßen ist. Zur Fehlerbehebung „soll“ das Gericht nach der nun verabschiedeten Gesetzesfassung eine Frist setzen. Gänzlich ausgenommen wurden von dieser Regelung Verkehrsflughäfen und Braunkohletagebaue.
Verschärfung der Präklusionsregelungen
Weiter verschärft worden sind die bereits bestehenden Regelungen zur prozessualen Präklusion. In den Gerichtsverfahren betreffend Projekte mit infrastruktureller Bedeutung sind mit § 87b Abs. 4 VwGO die Regelungen über die Zurückweisung verspätet vorgebrachter Erklärungen und Beweismittel strenger gefasst worden. Die Auswirkungen dürften überschaubar sein.
Priorisierte Durchführung und früher erster Termin zur Erörterung
Die Gerichtsverfahren für die Projekte mit infrastruktureller Bedeutung „sollen“ gemäß des neuen § 87c VwGO „beschleunigt durchgeführt werden“; besonders priorisiert werden sollen dabei Vorhaben, für die ein Bundesgesetz das überragende öffentliche Interesse feststellt. Wiederum gänzlich ausgenommen auch von dieser Regelung sind Verkehrsflughäfen und Braunkohletagebaue. Auch wenn die Vorschrift vielversprechend klingt, dürfte die Priorisierung der großen Anzahl der in den §§ 48 und 50 VwGO genannten Vorhaben bei den Gerichten – zumindest ohne erhebliche Personalaufstockungen – im Wesentlichen wirkungslos bleiben.
Konkret ist außerdem „in geeigneten Fällen“ die Anberaumung eines „frühen ersten Termins“ zur Erörterung des Sach- und Streitstandes vorgesehen. Im Planfeststellungsrecht erscheint der Anwendungsbereich dieser Regelung praktisch jedoch als eher gering; denn die Rechtsfragen, die sich in Planfeststellungsverfahren erfahrungsgemäß stellen, dürften aufgrund ihrer großen Anzahl und Komplexität schwerlich in einem solchen Termin zu klären sein.
Keine Klageerwiderungsfrist
Auf Einführung einer zehnwöchigen Klageerwiderungsfrist für Beklagte (Planfeststellungsbehörde) und Beigeladene (Vorhabenträger) wurde schließlich verzichtet. Diese war im ursprünglichen Gesetzesentwurf in Anknüpfung an die entsprechende Klagebegründungsfrist vorgesehen gewesen. Hierzu gab es jedoch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens umfängliche Kritik, die durchaus als berechtigt anzusehen ist. Denn letztlich wäre sogar eine Verzögerung der Verfahren durch unzureichend aufklärenden Vortrag zu befürchten gewesen. Überdies wäre die Zulässigkeit, jedenfalls aber die Sinnhaftigkeit der Regelung vor dem Hintergrund der Amtsermittlung fraglich erschienen.
Erweitert wurde stattdessen die zehnwöchige Klagebegründungsfrist in § 6 UmwRG, die zukünftig auch für Fälle gelten soll, in denen das gerichtliche Verfahren zur Durchführung eines Planergänzungs- oder Planänderungsverfahrens ausgesetzt wurde und später fortgesetzt wird; in diesem Fall läuft die Frist ab Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens. Hierin liegt eine durchaus begrüßenswerte Klarstellung.
Ausblick und Bewertung
Das Gesetzgebungsvorhaben war von seinem Beginn an überaus umstritten. Unter anderem aus der Richter- und Anwaltschaft wurde Kritik an zahlreichen der vorgesehenen Regelungen geäußert. Unter anderem deshalb wurde der Gesetzentwurf letztlich mit umfänglichen Änderungen beschlossen. Ob und in welchem Umfang das nunmehr verabschiedete Gesetz geeignet ist, das angestrebte Ziel der Verfahrensbeschleunigung zu erreichen, bleibt abzuwarten. Dass es sich tatsächlich um einen „Planungsturbo“, wie er von Teilen der Politik ausgerufen wurde, handelt, erscheint allerdings bereits jetzt zweifelhaft. Denn letztlich beschränkt sich das beschlossene Gesetz auf Detailregelungen zum Verwaltungsprozess. Die wahren „Bremsen“ für große Infrastrukturprojekte dürften allerdings eher im behördlichen Verfahren (insbesondere der dortigen Personalausstattung) und im materiellen Recht liegen.