Neues Muster für die Widerrufsinformation bei Verbraucherdarlehen in Kraft
Der deutsche Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 15. Juni 2021 die Musterwiderrufsinformation für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge neugefasst. Dies ist Folge einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom März 2020.
Hintergrund
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am 26. März 2020 auf ein Vorabentscheidungsersuchen eines deutschen Landgerichts entschieden, dass die in einem gesetzlichen Muster für eine Widerrufsinformation zu Verbraucherdarlehensverträgen enthaltene so genannte Kaskadenverweisung gegen EU-Recht verstoße. Konkret handelt es sich hierbei um die Formulierung zur Bestimmung des Beginns der Widerrufsfrist, die bislang vorsah, dass die Frist „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat“, beginnt. Da die für den Fristbeginn zwingend mitzuteilenden Pflichtangaben nicht vollständig, sondern nur beispielhaft aufgezählt werden und im Übrigen auf die Regelung des § 492 Abs. 2 BGB verwiesen wird, die ihrerseits auf weitere Vorschriften verweist, beanstandete der EuGH die Formulierung. Bei einer solchen Verweisungskette müsse sich der Verbraucher mit einer Vielzahl nationaler Bestimmungen beschäftigen, die in verschiedenen Gesetzeswerken enthalten seien, um den Fristbeginn seines Widerrufsrechts zu ermitteln. Dies widerspreche europarechtlichen Vorgaben, wonach der Verbraucher in „klarer, prägnanter Form“ über sein Widerrufsrecht zu informieren sei (siehe GvW Newsletter aus April 2020).
Ergänzung der umfangreichen Pflichtangaben
Der deutsche Gesetzgeber hatte daher die für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge gültige Musterwiderrufsinformation nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB, welche nach wie vor den Kaskadenverweis beinhaltete, überarbeiten müssen. Eine Neufassung des Musters für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge war hingegen nicht erforderlich, da die beanstandete Formulierung in der aktuellen Fassung der Musterwiderrufsinformation in Anlage 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB nicht vorhanden ist.
Mit dem am 15. Juni 2021 in Kraft getretenem Gesetz zur Anpassung des Finanzdienstleistungsrechts an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11. September 2019 in der Rechtssache C-383/18 und vom 26. März 2020 in der Rechtssache C-66/19 ist der Gesetzgeber seinem Handlungsauftrag nachgekommen und hat eine neue Musterwiderrufsinformation für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge bereitgestellt. Diese enthält nunmehr ohne Verweis auf gesetzliche Bestimmungen alle erforderlichen Pflichtangaben, die dem Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist vorliegen müssen, wodurch der Umfang der Widerrufsinformation erheblich zunimmt.
Praxishinweise
Damit sich Kreditinstitute bei der Verwendung der Musterwiderrufsinformation darauf berufen können, dass die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Information des Verbrauchers als erfüllt gelten (so genannte Gesetzlichkeitsfiktion), ist zu beachten, dass die in Abschnitt 2 des amtlichen Musters aufgelisteten Pflichtangaben Nummer 17 bis 25 jedoch nur dann in die Widerrufsinformation aufzunehmen sind, wenn sie für den jeweils vorliegenden Darlehensvertrag einschlägig sind. Sowohl die fehlende Angabe einschlägiger Pflichtangaben als auch die Angabe nicht einschlägiger Pflichtangaben können daher dazu führen, dass die Widerrufsinformation als nicht ordnungsgemäß angesehen und die Widerrufsfrist somit nicht in Gang gesetzt wird. Hierdurch soll sowohl eine im konkreten Fall vollständige als auch eine „klare und verständliche“ Information gewährleistet werden, ohne die Widerrufsinformation mehr als notwendig zu überfrachten.
Dr. Patrick Wolff, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Hamburg
Katharina Teitscheid, Rechtsanwältin
Frankfurt a.M.