Grünes Licht für LNG-Infrastruktur
Vor dem Hintergrund des im Februar 2022 begonnenen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hat sich die energie- und sicherheitspolitische Bewertung der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen unvorhergesehen kurzfristig und fundamental geändert. Das hat den Gesetzgeber auf den Plan gerufen und dazu veranlasst, noch im letzten Jahr das LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) zu erlassen. Dieses ermöglicht es unter anderem, schwimmende LNG-Terminals und die weitere damit verbundene Infrastruktur ohne Durchführung einer eigentlich für diese Vorhaben notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu errichten.
In zwei jüngst ergangenen Entscheidungen zu der LNG-Anbindungsleitung von Wilhelmshaven nach Etzel und zu der „Ostsee-Anbindungs-Leitung“ Seeabschnitt Lubmin hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr ausdrücklich festgestellt, dass zu Recht von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung abgesehen werden konnte und das LNGG insoweit auch nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Außerdem bestehen mit Blick auf die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes und die Erreichung des 1,5 Grad-Ziels keine Bedenken gegen den zugelassenen Ausbau der LNG-Infrastruktur.
Hintergrund und Sachverhalt
Das LNGG hat zum Ziel, die nationale Energieversorgung durch den unverzüglichen und schnellstmöglichen Aufbau einer unabhängigeren nationalen Gasversorgung mit Hilfe des Ausbaus der LNG-Importinfrastruktur und der zügigen Einbindung verflüssigten Erdgases in das bestehende Fernleitungsnetz zu sichern. Nach der gesetzgeberischen Konzeption handelt es sich aber zugleich um eine Brückenlösung auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung, für die insbesondere Wasserstoff ein wichtiger Baustein ist.
Gegenstand der Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind die Planfeststellungsbeschlüsse zur Errichtung und den Betrieb der LNG-Leitungen in Lubmin und Wilhelmshaven/Etzel. Die Einwände der Umweltvereinigungen, die die gerichtlichen Verfahren angestrengt haben, beziehen sich dabei insbesondere auf die unterbliebene Durchführung der UVP und die Unvereinbarkeit der Vorhaben mit Belangen des Klimaschutzes. Aus den Klimaschutzzielen folge, dass eine behördliche Verpflichtung bestehe, den Betrieb der Leitungen mit fossilem Gas für die Zukunft zu befristen und eine Umstellung des Betriebes auf den Transport von Wasserstoff schon zum Beginn der 2030er Jahre vorzuschreiben.
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
Dem folgt das Bundesverwaltungsgericht nicht. Im Hinblick auf die unterbliebenen UVPen bestätigt das Gericht, dass die Planfeststellungsbehörden zu Recht von deren Durchführung abgesehen haben, weil die LNG-Leitungen einen relevanten Beitrag zur Abwendung einer drohenden Gasversorgungskrise leisten und deshalb auch nur kurzfristige Verzögerungen im Zulassungsverfahren zu vermeiden seien. Dabei betont das Bundesverwaltungsgericht noch einmal ausdrücklich, dass es für die Beurteilung dieser Aspekte maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses ankomme. Das ausnahmsweise Absehen von der Durchführung der UVP steht nach Auffassung des Gerichts auch im Einklang mit Unionsrecht, weil das LNGG für konkrete Vorhaben die unionsrechtlich vorgesehene, einzelfallbezogene Prüfung der Ausnahmevoraussetzungen vorgebe. Im Hinblick auf die Belange des Klimaschutzes betont der Senat, dass es in erster Linie dem Gesetzgeber obliege, das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot auszugestalten und zu konkretisieren. Mit den Klimaschutzzielen sei auch die als Brückenlösung konzipierte LNG-Infrastruktur vereinbar, zumal deren Betrieb mit fossilem Erdgas durch die Vorgaben des LNGG selbst unmittelbar bis Ende 2043 befristet werde. Deshalb sei es nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung eine dem Gesetzgeber zukommende Entscheidung über die Frage, ob Erdgas als Energieträger genutzt wird, zu revidieren und den Leitungsbetreibern kürzere Fristen für den erdgasgestützten Leitungsbetrieb vorzuschreiben.
Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidungen sind insbesondere mit Blick auf die noch anhängigen Verfahren zur Zulassung von LNG-Vorhaben von erheblicher Bedeutung. Hervorzuheben ist die ausdrückliche Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass das Absehen von der Durchführung einer UVP zur beschleunigten Zulassung von LNG-Anbindungsleitungen mit Unionsrecht, insbesondere mit der UVP-Richtlinie vereinbar ist. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit der Gesetzgeber zugunsten der Beschleunigung von Zulassungsverfahren für dringlich benötigte Infrastrukturvorhaben auch in anderen Bereichen ein Absehen von der UVP-Pflicht erwägt.
(BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2023, Az. 7 A 9.22; Pressemitteilung Nr. 50/2023 vom 22. Juni 2023, abrufbar unter: https://www.bverwg.de/de/pm/2023/50; BVerwG, Beschluss vom 12. September 2023, Az. 7 VR 4.23; Pressemitteilung Nr. 67/2023 vom 14. September 2023, abrufbar unter: https://www.bverwg.de/de/pm/2023/67)