Erfüllung von Urlaubsansprüchen bei Freistellung des Arbeitnehmers
Räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Recht ein, ausstehenden Urlaub während einer Freistellung selbst festzulegen, so wird der Urlaubsanspruch mit Ablauf dieses Zeitraums erfüllt. Kann der Arbeitnehmer (doch) Urlaubsabgeltung beanspruchen, falls er innerhalb der Freistellung erkrankt?
Hintergrund
Im Zuge der Abwicklung beendeter Arbeitsverhältnisse ist die ggf. erforderliche Abgeltung von bestehenden (Rest-)Urlaubsansprüchen ein wichtiger finanzieller Aspekt. Streitpunkt zwischen den Parteien ist dabei zumeist, wie viele Urlaubsansprüche tatsächlich überhaupt noch bzw. in welcher Höhe bestehen.
War der Arbeitnehmer vor seinem Ausscheiden während des Laufs der Kündigungsfrist (teilweise) freigestellt, bleibt häufig unklar bzw. streitig, inwieweit in diesem Zeitraum Urlaub in natura aufgebraucht wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt die Erfüllung von Urlaubsansprüchen voraus, dass der Arbeitnehmer durch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers im Voraus zu Erholungszwecken von seiner bestehenden Arbeitspflicht befreit wird, wobei die Urlaubserteilung auch konkludent erfolgen kann. Fehlt es daran, so darf der Arbeitnehmer im Fall der unwiderruflichen Freistellung davon ausgehen, dass der Arbeitgeber es ihm selbst überlässt, die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb der Freistellung festzulegen (vgl. BAG, Urteil vom 16. Juli 2013 – 9 AZR 50/12).
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein musste in seiner Entscheidung aus März 2024 klären, ob der Arbeitnehmer bei einer während der Freistellung auftretenden Erkrankung den Urlaubszeitraum einseitig nachträglich so ändern darf, dass er (doch) Urlaubsabgeltung beanspruchen kann.
Sachverhalt
Der Kläger hatte sein Arbeitsverhältnis im Dezember 2022 zu Ende Juni 2023 gekündigt und in diesem Zusammenhang mitgeteilt, er werde ab Februar 2023 79 Tage Freizeitausgleich für Mehrarbeit sowie 22 (Rest-)Urlaubstage nehmen. Im Zeitraum von Mitte Februar bis Mitte März 2023 sei er wegen eines Auslandsaufenthalts nicht verfügbar.
Die Beklagte bestätigte die Kündigung und forderte den Kläger auf, seinen Resturlaub im Umfang von 22 Tagen bis zum Austrittstermin zu nehmen. Einvernehmlich absolvierte der Kläger Anfang Februar 2023 seinen letzten Arbeitstag. Die Beklagte teilte ihm Ende April 2023 mit, er sei ab dem 1. Mai 2023 bis zum Austrittstermin am 30. Juni 2023 unwiderruflich unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen sowie unter Anrechnung von Überstunden/Mehrarbeit freigestellt.
Der Kläger war in der Zeit vom 1. bis 16. Juni 2023 arbeitsunfähig erkrankt. Für diese zwölf Arbeitstage verlangte er im Nachhinein finanzielle Urlaubsabgeltung.
Entscheidung
Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG wurde abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein sah den Urlaubsanspruchs des Klägers von 22 Tagen als bereits erfüllt und damit erloschen an.
Der Kläger sei berechtigt gewesen, die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb der Freistellungsphase selbst festzulegen und habe hiervon auch Gebrauch gemacht. Aus der Korrespondenz zwischen den Parteien ergebe sich, dass der (Rest-)Urlaub im Zeitraum von Mitte Februar bis Mitte März 2023 vollständig genommen worden sei. Nach Ablauf dieses Zeitraums sei eine nachträgliche Änderung durch den Kläger nicht mehr möglich. Auf die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Juni 2023 komme es somit nicht mehr an, da der Urlaubsanspruch zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig erfüllt worden war.
Praxisfolgen
Für Arbeitgeber verdeutlicht diese Entscheidung folgendes:
- Sofern die konkrete Festlegung von Urlaub innerhalb einer Freistellung dem Arbeitnehmer überlassen wird, sollten Arbeitgeber in jedem Fall auf eine hinreichende Dokumentation achten, um im Zweifelsfall die Urlaubsgewährung als solche sowie die Lage und Dauer des Urlaubs darlegen und nachweisen zu können. Vor allem bei hinzutretender Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers lässt sich hierdurch – wie das Verfahren vor dem LAG Schleswig-Holstein zeigt – eine etwaige Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen ggf. erfolgreich abwehren.
- Im Allgemeinen dürfte es für Arbeitgeber allerdings ohnehin vorzugswürdig sein, bei der Erklärung zur unwiderruflichen Freistellung den Zeitraum der Urlaubsgewährung und ggf. eine Reihenfolge selbst konkret festzulegen. Auf diese Weise kann einerseits den Besonderheiten des Einzelfalls (etwa: das Verhältnis zum Abbau von Freizeitausgleichsansprüchen des Arbeitnehmers) aktiv Rechnung getragen werden, andererseits wird eine mögliche (rechts-)missbräuchliche Gestaltung bei der Lage von Urlaubszeiträumen durch den Arbeitnehmer von vornherein verhindert.
(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. März 2024 – 1 Sa 168/23)