Der moderne Arbeitsvertrag vor dem Hintergrund der geplanten Anpassung des Nachweisgesetzes
Das Nachweisgesetz soll künftig auch die elektronische Form zulassen. Damit eröffnen sich neue Chancen für die moderne Gestaltung von Arbeitsverträgen.
Hintergrund: Was fordert das Nachweisgesetz bisher?
Bisher verlangt das Nachweisgesetz, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern einen schriftlichen Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen erteilt. Der Nachweis kann ersetzt werden durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Schriftlich meint hierbei von beiden Seiten handschriftlich unterzeichnet; die elektronische Form ist explizit ausgeschlossen. Im Zeitalter der Digitalisierung wird diese Regelung zu Recht vielfach als veraltet kritisiert, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Arbeitsbedingungen-Richtlinie die elektronische Form erlaubt – eine Möglichkeit, die der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der europäischen Richtlinie im Jahr 2022 ungenutzt ließ. Daher bedeutet der Abschluss von Arbeitsverträgen weiterhin einen hohen bürokratischen Aufwand für Arbeitgeber.
Welche Änderungen sieht das Eckpunktepapier zum Bürokratieabbau vor?
Das vom Bundesjustizministerium vorgelegte und am 30. August 2023 vom Bundeskabinett gebilligte Eckpunktepapier für das neue Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) sieht vor, dass der Nachweis künftig auch durch einen Arbeitsvertrag ersetzt werden kann, der in der gesetzlich elektronischen Form geschlossenen wird. Auch die Änderung wesentlicher Arbeitsbedingungen soll elektronisch möglich sein. Geplant sind daneben weitere Maßnahmen, die auf die Vereinfachung und Digitalisierung des Rechtsverkehrs abzielen. Unter anderem sollen steuer- und handelsrechtliche Aufbewahrungsfristen für Belege verkürzt und die Schriftform weitgehend durch die elektronische Form ersetzt werden, z.B. bei der Erteilung von Arbeitszeugnissen. Laut der Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums soll der Bürokratiekostenindex auf den niedrigsten Stand seit seiner Erhebung sinken.
Wann könnte die Neuerung umgesetzt werden und was würde sie für die Praxis bedeuten?
Im nächsten Schritt wird das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf erstellen. Daraus könnte nach der Verbände- und Länderbeteiligung ein finaler Gesetzesentwurf entwickelt werden, der sodann Bundestag und Bundesrat passieren müsste. Vor 2024 ist mit der Neuerung daher nicht zu rechnen. Auch ist noch nicht absehbar, ob alle Eckpunkte (unverändert) übernommen werden.
Die Umsetzung der geplanten Änderung des Nachweisgesetzes könnte langfristig eine erhebliche Entlastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bewirken. Zwar stellt § 126a BGB mit der gesetzlichen elektronischen Form hohe Voraussetzungen auf, deren technische Einrichtung (z.B. durch die elektronische Signatur) – soweit noch nicht vorhanden – einen gewissen Verwaltungsaufwand mit sich bringen kann. Die elektronische Form beschleunigt aber den Vertragsabschluss, schafft Flexibilität und spart Ressourcen. Insbesondere in Zeiten von mobiler Arbeit ist die elektronische Übermittlung und Änderung von Arbeitsverträgen von erheblichem Vorteil und kann durch den schnelleren Abschluss von Arbeitsverträgen die Talentgewinnung fördern. Für Arbeitnehmer reduziert der Wegfall von schriftlichen Arbeitsverträgen den Verwaltungsaufwand; durch die elektronische Form sind Arbeitsverträge jederzeit und überall abrufbar.
Das Ende des handschriftlich unterzeichneten Arbeitsvertrages wäre damit aber noch nicht erreicht. Das Eckpunktepapier nimmt die Wirtschaftsbereiche nach § 2a Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (insbesondere die Logistik, die Gastronomie und das Baugewerbe) aus.
Wichtig: Auch für befristete Arbeitsverträge bestünde nach § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz weiterhin ein Schriftformerfordernis.
Dennoch würde das Vorhaben bei seiner Umsetzung einen längst überfälligen Schritt in Richtung einer digitalen Arbeitswelt bedeuten.
Wie können Arbeitsverträge bereits jetzt modernisiert werden?
Im Zuge der Digitalisierung bestehen neue Möglichkeiten zur Modernisierung von Arbeitsverträgen. Das reicht von einer vollen Digitalisierung (z.B. auf Plattformen) über sprachliche Neuordnungen oder eine Kombination aus beiden.
Bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen sollte sich stets vor Augen geführt werden, dass diese nur in den seltensten Fällen für Juristen, sondern für die Vertragsparteien geschaffen werden. Angesichts des großen Fachkräftemangels in Deutschland ist bei der Ausgestaltung der Arbeitsverträge neben der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen insbesondere die Talentgewinnung in den Blick zu nehmen. Während Arbeitgeber neben der Vergütung zusätzliche Benefits wie etwa Formen des flexiblen Arbeitens, Fahrtkostenzuschuss, Leistungszulagen etc. gewähren können, ist auch die sprachliche Fassung der Arbeitsverträge eine Möglichkeit, potentielle Arbeitnehmer anzusprechen. Hierbei könnte es sich anbieten, den Arbeitnehmer in persönlicher Rede zu adressieren – je nach den betrieblichen Umgangsformen auch in „Du“-Form – sowie eine einfache Sprache zu verwenden. Seit einiger Zeit wird auch diskutiert, ob ein Arbeitsvertrag in Form eines Q&A möglicherweise den klassischen Arbeitsvertrag ersetzen kann. Die Herausforderung diesen Spagat zu schaffen zwischen einer klaren, verständlichen und modernen Sprache einerseits sowie der Wahrung der rechtlichen Anforderungen vor dem Hintergrund der AGB-Rechtsprechung andererseits stellt Neuland dar. Ein guter Modernisierungsansatz kann beispielsweise sein, einen Arbeitsvertrag in verständlicher Sprache mit den Mindestbedingungen vorzulegen und dem Arbeitnehmer ergänzend ein Q&A-Dokument auszuhändigen, das die wesentlichen Regelungen erläuternd zusammenfasst und detailliert die Anforderungen des Nachweisgesetzes aufgreift.
Ein verständlicher, moderner Arbeitsvertrag kann ein Kriterium von Arbeitnehmern und Bewerbern für die Entscheidung für den Arbeitgeber sein und gleichzeitig Bestandteil eines neuen Arbeitgeber Brandings sein. Die in dem Eckpunktepapier vorgesehene Änderung des Nachweisgesetzes könnte dazu beitragen, die Modernisierung von Arbeitsverträgen voranzutreiben.