Böhmermann verliert gegen Bienenmann
Das Oberlandesgericht Dresden hat in einer aktuellen Entscheidung das sog. Recht zum Gegenschlag bekräftigt und einer Bioimkerei zugestanden, sich mit den Mitteln der Satire auch unter Nutzung des Namens und der Abbildung eines bekannten TV-Moderator gegen dessen satirische Kritik am Geschäftsmodell der Imkerei zur Wehr zu setzen.
Hintergrund
Ausgangspunkt war die Sendung „ZDF Magazin Royale“ vom 3.11.2023, in der sich der TV-Moderator Jan Böhmermann kritisch u. a. mit sog. Bienenpatenschaften befasst und dabei auch den Geschäftsführer der Bioimkerei und einen kurzen Ausschnitt eines Unternehmensvideos gezeigt hatte. Das Bestreben von Unternehmen, sich durch den Abschluss solcher Bienenpatenschaften ein umweltbewusstes Image zu geben, hatte der Moderator in der Sendung in Abwandlung des Stichworts „Greenwashing“ als „Beewashing“ kritisiert. Der Geschäftsführer der Bioimkerei reagierte auf diese TV-Kritik damit, dass er ab dem 20.11.2023 im Online-Shop der Imkerei Honig-Gläser als „Beewashing-Honey“ und als „Böhmermann-Honig“ bzw. „Honig zur ZDF Magazin Royale Sendung …“ anbot. Ferner wurde in einem Dresdner Supermarkt mit einem Aufsteller mit der Abbildung des TV-Moderators aus einem Standfoto aus der Sendung, einem im Vordergrund befindlichen Glas „Beewashing-Honey“ und dem Zusatz: Führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt:“ geworben. Die hiergegen vom TV-Moderator gegenüber der Bioimkerei geltend gemachten und auf sein Persönlichkeitsrecht gestützten Unterlassungsansprüche wiesen sowohl das Landgericht Dresden als auch in der Berufungsinstanz das Oberlandesgericht Dresden ab.
Entscheidung
Das Landgericht Dresden hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Imkerei mit Urteil vom 8.2.2024 zurückgewiesen und ausgeführt, dass Unterlassungsansprüche des Moderators aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 (analog) BGB iVm. § 12 BGB wegen der Namensnutzung und aus §§ 823 Abs. 1, 1004 (analog) BGB iVm. §§ 22, 23 KUG wegen der Nutzung seiner Abbildung aus der Sendung im vorliegenden Fall nicht gegeben seien. Bei dem Plakataufsteller greife die Ausnahme des § 23 Abs. 1 KUG, die Namensnutzung sei gerechtfertigt, weil die Abwägung zu Gunsten der Imkerei ausfalle. Die Berufung des Moderators gegen dieses Urteil hat das Oberlandesgericht Dresden mit Urteil vom 18.7.2024 zurückgewiesen. Die Richter haben in den Entscheidungsgründen betont, dass die Imkerei angesichts der vorangegangenen Kritik in der Sendung nicht in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Moderators in der Ausprägung seines Rechts am eigenen Bild eingegriffen habe, da die Verbreitung der Bildaufnahme als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte auch ohne seine Einwilligung zulässig gewesen sei (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), und durch die Verbreitung im Einzelfall auch kein berechtigtes Interesse des Moderators verletzt worden sei (§ 23 Abs. 2 KUG). Der Begriff der Zeitgeschichte sei dabei nicht allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung zu beziehen, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen. Ein Informationsinteresse bestehe jedoch nicht schrankenlos. Der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten werde vielmehr durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Landgericht und Oberlandesgericht werteten die Kritik des TV-Moderators unter bildlicher Darstellung des Geschäftsführers der Imkerei als zeitgeschichtliches Ereignis, weshalb die im Sine einer Gegenkritik zu verstehende Befassung mit der Sendung und dem Moderator als vermeintlichen „führenden Bienen- und Käferexperten“ als (Gegen-)Satire zu verstehen und als Ergebnis- der Güter und Interessenabwägung zulässig sei.
Auch eine solche Vereinnahmung des Werbewerts des Moderators allein für kommerzielle Zwecke haben das Landgericht ebenso wie das Oberlandesgericht verneint. Der Werbeaufsteller setze sich im zeitlichen Zusammenhang mit dem in der Sendung aufgeworfenen Thema „Beewashing“ auseinander, indem dort ein eigens kreierter „Beewashing-Honey“ präsentiert und der Moderator als Testimonial dargestellt werde. Dessen Foto, das offensichtlich aus der zugrundeliegenden Folge des „ZDF-Magazin Royale“ stamme, verdeutlicht dem Durchschnittsrezipienten, dass die dort angesprochene „Empfehlung“ im Rahmen eines Sendungsbeitrags ausgesprochen worden sein müsse, worauf auch der ausgestreckte Zeigefinger des Moderators in Richtung des Honigglases hinweise. Schon der kritische Gesichtsausdruck und der anklagende Gestus, mit dem der Moderator gezeigt werde, ließen aber zugleich erkennen, dass es sich bei der „Empfehlung“ um einen ironischen Hinweis auf eine dem Betrachter nicht mitgeteilte Bemerkung im Rahmen einer Sendung handeln müsse. In der Annahme, dass es sich infolgedessen nicht um eine ernstgemeinte Werbung für den Honig der Imkerei handele, für den der Moderator als Testimonial einstehen wolle, werde sich der Betrachter durch dessen Bezeichnung als „führender Bienen- und Käferexperte“ bestärkt sehen. Zumindest demjenigen Teil der Supermarktkunden, denen die Person des Moderators bekannt sei und die infolgedessen allein als Zielgruppe für die beabsichtigte Werbung in Betracht zu ziehen seien, sei klar, dass der Moderator nicht Zoologe oder Botaniker, sondern Journalist und Satiriker ohne ausgewiesene Erfahrung in der Insektenkunde sei und dass es sich daher auch bei diesem Attribut um Ironie als typisches Stilmittel der Satire handele. Dem Durchschnittsleser des Plakates werde sich infolgedessen die Schlussfolgerung aufdrängen, dass es sich bei dem Aufsteller insgesamt um eine Auseinandersetzung mit einer vorausgegangenen Sendung des „ZDF Magazin Royale“ handeln müsse und dass der Imkereibetrieb eine dort vom Moderator Jan Böhmermann zum Thema „Bienen oder Käfer“ getroffene Einschätzung nicht teile, sondern dem Moderator mit der ironischen Bezeichnung als „führender Bienen- und Käferexperte“ die Kompetenz absprechen wolle, sich zum Thema „Beewashing“ äußern zu können.
Die Richter betonten schließlich weiter, dass den nur einfach-rechtlich geschützten vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts gegenüber der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsäußerungsfreiheit grundsätzlich kein Vorrang zukomme. Insbesondere wenn sich eine Werbung in satirisch-spöttischer Form mit einer die Öffentlichkeit interessierenden Frage auseinandersetze, mithin die Meinungs- und/oder die Kunstfreiheit für den Werbenden streite, könne den kommerziellen Interessen des Betroffenen jedenfalls dann kein Vorrang eingeräumt werden, sofern die Werbung keine berechtigten ideellen Interessen verletze, so die Richter weiter. Ob die Behauptungen des Moderators zum Geschäftsmodell der Imkerei in der Sendung vom 3.11.2023 wahr oder unwahr gewesen seien, sei im Rahmen der Abwägung ohne Belang. Denn jedenfalls, so das Landgericht und das Oberlandesgericht, durfte die Imkerei darauf reagieren und ihre Ansicht dazu zur Meinungsbildung äußern, da sie als in der Sendung namentlich Genannte ein Recht auf einen mit ähnlicher Sprache geführten Gegenschlag habe. Hiernach sei es einem in der Öffentlichkeit Angegriffenen im Grundsatz erlaubt, sich mit der Wiedergabe seiner eigenen Sachdarstellung selbst dann zu verteidigen, wenn diese unzutreffend sei. Der Angegriffene sei also, jedenfalls solange die Auseinandersetzung noch aktuell sei, grundsätzlich berechtigt, die Behauptungen des Angreifers unabhängig vom objektiven Wahrheitsgehalt als unwahr und falsch zu bezeichnen. Diese Rechtsauffassung der Dresdner Richter deckt sich mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Persönlichkeitsrechten im Medienrecht.
Anmerkung
Die Entscheidungen des Landgerichts Dresden und des Oberlandesgerichts Dresden sind zu begrüßen. Denn sie stärken die Rechte von Unternehmen, die von kritischer Medienberichterstattung betroffen sind, auch über den Einzelfall hinaus.
Entscheidung und Vorinstanz:
Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 18. Juli 2024, Aktenzeichen: 4 U 323/24
Landgericht Dresden, Urteil vom 8. Februar 2024, Aktenzeichen: 3 O 2529/23