Beginn der Verjährung bei Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“
Nach jüngster Rechtsprechung des BGH beginnt die dreijährige Regelverjährung bei einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ nicht schon mit der Vollendung der Zuwiderhandlung, sondern erst dann, wenn der Gläubiger den Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und die Höhe der Vertragsstrafe gegenüber diesem verbindlich festlegt.
Sachverhalt
Der Beklagte verwendete ein Lichtbild eines Antennenrotors für ein von ihm auf Ebay eingestelltes Verkaufsangebot, welches von dem als Berufsfotograf tätigen Kläger stammte. Infolge einer Berechtigungsanfrage des Klägers gab der Beklagte im Jahre 2013 eine Unterlassungserklärung ab, in welcher er sich dazu verpflichtete, das Lichtbild oder dessen Teile im Internet nicht unberechtigt öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen.
Die Unterlassungserklärung enthielt eine Vertragsstrafenregelung nach „Hamburger Brauch“. Hiermit erklärt sich der Schuldner im Falle einer Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe bereit, dessen Höhe vom Gläubiger nach billigem Ermessen festgesetzt wird und von einem Gericht im Streitfall auf Angemessenheit überprüft werden kann.
Das durch den Kläger gefertigte Lichtbild blieb noch bis Mai 2014 als Produktabbildung in den Verkaufsangeboten des Beklagten auf einigen Länderseiten von Ebay abrufbar. Ende 2016 sowie Ende 2017 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.600 € auf. Mit anwaltlichem Schreiben forderte der Kläger den Beklagten Ende 2019 nochmals zur Zahlung einer Vertragsstrafe, diesmal in Höhe von 3.250 €, auf. Da auch hierauf keine Zahlung des Beklagten erfolgte, erhob der Kläger noch Ende des Jahres 2019 Klage, mit welcher er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 3.250 € nebst außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrte. Der Beklagte trat der Klage entgegen und berief sich auf die Einrede der Verjährung.
Entscheidung
Die Klage wurde sowohl erst- als auch zweitinstanzlich abgewiesen. Das Amts- und Landgericht waren der Auffassung, dass etwaige Vertragsstrafenanssprüche des Klägers bereits mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt seien. Nach Ansicht der Gerichte habe die dreijährige Verjährungsfrist nicht erst mit Bestimmung der Vertragsstrafe durch den Gläubiger, sondern bereits mit Ablauf des Jahres 2014 begonnen, da in diesem Jahr die Zuwiderhandlung des Beklagten zuletzt erfolgt sei. Als tragendes Argument wurde vorgebracht, dass es Sinn und Zweck des Verjährungsrechts sowie den Bedürfnissen der Parteien nach klaren und eindeutigen Verhältnissen widerspreche, wenn der Gläubiger den Beginn der Verjährung mittels Bestimmung der Vertragsstrafe einseitig entscheiden könne. Der BGH teilte die Auffassungen der Vorinstanzen nicht.
Aus Sicht des BGH reiche es für den Beginn der Verjährung nicht aus, dass der Schuldner die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat und der Anspruch nach allgemeiner Terminologie entstanden ist. Vielmehr sei erforderlich, dass der Anspruch auch fällig geworden ist, da der Gläubiger erst dann dazu in der Lage sei, den Anspruch mittels Leistungsklage gerichtlich geltend zu machen und hierdurch die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu hemmen.
Bei einer Vertragsstrafenregelung nach „Hamburger Brauch“ werde der Anspruch nach Auffassung des BGH - anders als bei der Vereinbarung einer der Höhe nach bereits festgelegten Vertragsstrafe - nicht bereits mit der Zuwiderhandlung fällig, sondern erst dann, wenn der Gläubiger sein Leistungsbestimmungsrecht gegenüber dem Schuldner verbindlich ausgeübt und die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe wirksam konkretisiert hat. Aus Sicht des BGH bestehe kein Bedürfnis dafür, den Verjährungsbeginn an die Vollendung der Zuwiderhandlung zu knüpfen, da schutzwürdige Belange des Schuldners durch eine Verzögerung in der Festsetzung der Vertragsstrafe in der Regel nicht beeinträchtigt werden würden. Zudem stehe es dem Schuldner im Falle einer verzögerten Festsetzung durch den Gläubiger offen, eine Klage auf Leistungsbestimmung durch ein Gericht zu erheben (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB) und die für die Verjährung relevante Fälligkeit selbst herbeizuführen.
Laut dem BGH könne den Interessen des Schuldners im Falle einer Verzögerung darüber hinaus auch durch Treu und Glauben gem. § 242 BGB Rechnung getragen werden. Dem Gläubiger könne die Beanspruchung der Vertragsstrafe nämlich im Einzelfall verwehrt werden, wenn dieser über einen längeren Zeitraum keine Vertragsstrafe festlegt und beim Schuldner das schützenswerte Vertrauen geweckt wurde, dass der Gläubiger in Bezug auf die Zuwiderhandlung keine Vertragsstrafe mehr beanspruchen würde.
Fazit
Die Vertragsstrafenregelung nach „Hamburger Brauch“ hat für den Schuldner zwar den Vorteil, dass dieser die seitens des Gläubigers festgesetzte Höhe der Vertragsstrafe im Zweifel von einem Gericht überprüfen lassen kann. Dass die Verjährung daraus resultierender Ansprüche jedoch erst dann zu laufen beginnt, wenn der Gläubiger den Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht, birgt für den Schuldner eine gewisse Unsicherheit. Es ist nämlich nicht unüblich, dass Vertragsstrafenregelungen (gerade in Langzeitverträgen) in Vergessenheit geraten und erstmal einige Zeit vergeht, bis der Gläubiger die Vertragsstrafe gegenüber dem Schuldner festlegt.
BGH, Urteil vom 27.10.2022 - I ZR 141/21