Aufwendungsersatzanspruch für Aus- und Einbaukosten einer mangelhaften Sache auch bei bloßem Vorfertigungsprozess
Zeigt sich ein Sachmangel der Kaufsache bereits im Rahmen eines Vorfertigungsprozesses und kommt es deshalb nicht mehr zum Abschluss des Einbauvorgangs, ist ein „Einbau“ gemäß § 439 Abs. 3 BGB dennoch zu bejahen.
Einleitung: Aufwendungsersatzanspruch des Käufers für Aus- und Einbaukosten gemäß § 439 Abs. 3 BGB
Liefert der Verkäufer dem Käufer eine bei Gefahrübergang mangelhafte Sache, so kann der Käufer vom Verkäufer primär die Nacherfüllung verlangen, vgl. § 439 Abs. 1 BGB. Der Käufer kann nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache vom Verkäufer verlangen. Der Käufer hat aber nach deutschem Recht keinen Anspruch darauf, dass der Verkäufer die vom Käufer bereits bestimmungsgemäß eingebaute mangelhafte Sache ausbaut und eine mangelfreie Ersatzsache wieder einbaut.
Abhilfe schafft § 439 Abs. 3 BGB. Gemäß dieser Vorschrift ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen, sofern der Käufer die mangelhafte Sache, bevor sich der Mangel gezeigt hat, gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck schon in eine andere Sache eingebaut oder angebracht hatte. Der Käufer kann daher zwar nicht den Aus- und Einbau der Sache verlangen. Er kann aber ohne Rücksicht auf ein Vertretenmüssen des Verkäufers Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen einfordern. Handelt es sich beim Käufer um einen Verbraucher, kann er diese erforderlichen Aufwendungen vom Verkäufer vorab sogar als Vorschuss einfordern, vgl. § 475 Abs. 4 BGB. Der organisatorische Aufwand des Aus- und Einbaus verbleibt aber immer beim Käufer.
Voraussetzung für den verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatzanspruch des Käufers ist damit, dass der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht hat, vgl. § 439 Abs. 3 BGB. Ein „Einbau“ dürfte jedenfalls dann vorliegen, wenn die Kaufsache mit einer anderen Sache körperlich verbunden wurde. Unter den Begriff des „Anbringens“ sollen nach dem Verständnis des Gesetzgebers Fälle fallen, in denen der Käufer die mangelhafte Sache zwar nicht im Wortsinne in eine andere Sache eingebaut, jedoch in vergleichbarer Weise ihrer Art und ihrem Verwendungszweck gemäß mit einer anderen Sache verbunden hat. Der Gesetzgeber nennt als Beispiele das Anbringen von Leuchten oder Dachrinnen sowie mangelhafter Farben und Lacke (vgl. Bundestag-Drucksache 18/11437, S. 40).
Der Einbau oder die Anbringung der mangelhaften Kaufsache muss vom Käufer zudem „gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck“ erfolgt sein. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sind Art und Verwendungszweck der Sache grundsätzlich objektiv zu beurteilen. Entscheidend ist danach, ob der Käufer die mangelhafte Sache bestimmungsgemäß und gemäß ihrer funktionellen Bestimmung verwendet hat. Da der Mangelbegriff aus § 434 BGB indes subjektiv geprägt ist, liegt es nahe, die Frage nach Art und Verwendungszweck auch unter Berücksichtigung der Parteivereinbarung zu beantworten. Dann wäre auch eine ungewöhnliche oder als extravagant empfundene Verwendungsweise der mangelhaften Kaufsache umfasst, wenn diese zwischen den Parteien vereinbart oder zumindest vom Verkäufer akzeptiert wurde.
Entscheidung des BGH: Einbau schon bei Vorfertigungsprozessen
Der Bundegerichtshof (BGH) hat sich in einer neueren Entscheidung nunmehr mit der Frage beschäftigt, ob der Anwendungsbereich des Aufwendungsersatzanspruchs gemäß § 439 Abs. 3 BGB auch schon dann eröffnet ist, wenn sich der Sachmangel der Kaufsache bereits im Rahmen eines – ihrer Art und ihrem Verwendungszweck entsprechenden – Vorfertigungsprozesses zeigt und es deshalb gerade nicht mehr zum Abschluss des Einbauvorgangs kommt. Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, wann ein „Einbau“ gemäß § 439 Abs. 3 BGB vorliegt und wie weit der Begriff zu verstehen ist.
Im zu entscheidenden Fall bestellte die Klägerin bei der Beklagten Edelstahlrohre, um diese bestimmungsgemäß in Kreuzfahrtschiffe ihrer Auftraggeberin als Rohrleitungssysteme zum Transport von LNG-Gas zu montieren. Noch vor der Montage in die Schiffskörper zeigte die Klägerin Materialfehler bei der Beklagten an und forderte diese zur Lieferung mangelfreier Rohre auf. Die Klägerin hatte bereits vor der Entdeckung der Materialfehler mit der Vorfertigung der Rohrleitungssysteme begonnen und die Rohre mit weiteren Bauteilen zu sogenannten Rohrleitungsspools zusammengeschweißt bzw. zusammengebaut. Die Rohrleitungsspools mussten infolge der erkannten Materialfehler der Rohre daher wieder auseinandergebaut werden, um die übrigen benutzten Bauteile nach Austausch der Rohre wiederverwenden zu können.
Mit der Klage hat die Klägerin Ersatz der Kosten verlangt, die durch das Auseinanderbauen der im Rahmen der ersten Vorfertigung erstellten Rohrleitungsspools entstanden sind. Ferner hat sie Ersatz der Kosten für die erneute Vorfertigung der neu gelieferten mangelfreien Rohre bis zum Erreichen des Leistungsstands der ersten Vorfertigung begehrt.
Der BGH spricht der Klägerin den begehrten Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 439 Abs. 3 BGB zu und bejaht insbesondere einen „Einbau“.
Das Tatbestandsmerkmal des „Einbaus“ der Kaufsache in eine andere Sache sei – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – schon dann erfüllt, wenn sich ein Sachmangel der Kaufsache bereits im Rahmen eines – ihrer Art und ihrem Verwendungszweck entsprechenden – Vorfertigungsprozesses zeigt, obwohl es deshalb nicht mehr zum Abschluss des eigentlichen Einbauvorgangs kommt.Für die Bejahung des „Einbaus“genüge daherim konkreten Fall schondie Verbindung der gekauften Rohre zu Rohrleitungsspools zum Zwecke des späteren Einbaus in Kreuzfahrtschiffe, auch wenn die Rohrleitungspools noch nicht in den Schiffskörper integriert wurden.
Ein Einbau sei insbesondere nicht erst dann zu bejahen, wenn die mangelhafte Kaufsache unselbständiger Bestandteil der anderen Sache werde. Für ein solch restriktives Verständnis gebe der Gesetzeswortlaut nichts her.
Auch sei es nicht erforderlich, dass es zu einer Endmontage (hier in die Schiffskörper) gekommen sei. Der Begriff des Einbauvorgangs sei nicht auf seine Schlussphase zu reduzieren, denn ein Einbau könne sich regelmäßig in mehreren Stufen vollziehen. Mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar und davon umfasst sei daher bereits die Gesamtheit eines mehrstufigen Einbauvorgangs, einschließlich der Art und dem Verwendungszweck der Kaufsache entsprechenden Verarbeitungs- oder Bearbeitungsstufen. Der Vorfertigungsprozess als Bestandteil des Einbauvorgangs sei daher bereits vom Begriffsverständnis des „Einbaus“ umfasst. Andernfalls sei die Entstehung eines Aufwendungsersatzanspruchs von dem Zufall abhängig, wann im Rahmen eines solchen Prozesses ein Sachmangel offenbar werde.
Der begehrte Aufwendungsersatzanspruch aus § 439 Abs. 3 BGB lasse sich – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – auch nicht deshalb verneinen, weil die Klägerin mit der Verbindung der gekauften Rohre zu Rohrleitungsspools möglicherweise eine gänzlich neue Sache hergestellt habe. § 439 Abs. 3 BGB sei allenfalls erst dann ausgeschlossen, wenn die Kaufsache in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr vorhanden sei, wie beispielsweise bei untrennbarer Vermengung oder Vermischung. Solange der Einbau der Kaufsache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck erfolge, führen individualisierende Veränderungen der Kaufsache im Rahmen eines Bearbeitungs- oder Verarbeitungsprozesses laut BGH nicht zum Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs, sofern der Einbau revidierbar sei.
Fazit und Ausblick
Mit seinem Urteil gibt der BGH eine klare Vorgabe dafür, wann von einem „Einbau“ im Sinne von § 439 Abs. 3 BGB auszugehen ist. Vorfertigungsprozesse (Verarbeitungs- oder Bearbeitungsstufen) sind daher grundsätzlich schon Teil des Einbaus, sofern diese Prozesse der Art und dem Verwendungszweck der Kaufsache entsprechen. Irrelevant ist dagegen, ob durch die Vorfertigung möglicherweise eine neue Sache hergestellt wird, solange der Einbau revidierbar ist.
Große Bedeutung entfaltet das Urteil für Wirtschaftsakteure, die mit Vorfertigungsprozessen betraut sind. Nach dem Urteil des BGH dürften bereits einzelne Phasen des Zusammenbaus (Schweißarbeiten, Montagearbeiten, etc.) als Einbau gemäß § 439 Abs. 3 BGB verstanden werden, ohne dass der finale Einbau in das (End-)Produkt vollzogen sein muss. Führen Wirtschaftsakteure daher derartige Vorfertigungsprozesse durch, können sie von ihren Verkäufern, die mangelhafte Einzelteile liefern, im Rahmen der Nacherfüllung auch Aufwendungsersatz in Form von Aus- und Einbaukosten nach Maßgabe von § 439 Abs. 3 BGB verlangen.
(vgl. BGH, Urteil v. 21.06.2023 – VIII ZR 105/22)