Oktober 2024 Blog

Aufklärung zur Bonität des Emittenten

In seinem Urteil vom 19. September 2024 bejaht der BGH zwar im Hinblick auf die in Rede stehende Festgeldanlage das Zustandekommen eines Auskunftsvertrags zwischen dem Anlagevermittler und der Anlegerin, hier: einer Gemeinde. Der BGH verneint aber die dem Anlagevermittler vorgeworfene Pflichtverletzung. Die Information über die Bonität, die durch die Übermittelung des Ratings einer Rating-Agentur erfolgte, war nach den Feststellungen des BGH in dem konkreten Fall hinreichend.

Auskunftsvertrag

Der BGH bestätig zunächst seine Rechtsprechung, wonach im Zusammenhang mit der Vermittlung von Kapitalanlagen ein Auskunftsvertrag zumindest stillschweigend dann zustande kommt, wenn der Interessent deutlich macht, dass er auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler mit der gewünschten Tätigkeit beginnt

In dem konkreten Fall begründete daher auch die von dem beklagten Anlagevermittler erfolgte Vermittlung von Festgeldanlagen einschließlich der damit verbundenen Zusammenstellung von Marktübersichten über die Anbieter und deren Konditionen einen Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen und nicht lediglich einen Maklervertrag.

Offengelassen hat der BGH mangels konkreter Entscheidungsrelevanz die Frage, ob der Anlagevermittler durch seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein von vornherein nur auf eine eingeschränkte Vermittlungsleistung ohne Prüfungs- und Informationspflichten gerichtetes Vertragsangebot unterbreiten wollte, ob ein solches überhaupt Vertragsbestandteil hätte werden können (vgl. § 305c Abs. 1 BGB) und – falls dies anzunehmen wäre – ob eine entsprechende Vereinbarung einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB standhalten würde.

Pflichtverletzung

Die aus dem Auskunftsvertrag folgenden allgemeinen Informationspflichten werden in dem Urteil des BGH zunächst kurz zusammengefasst. Der BGH führt insoweit aus, dass der Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind, verpflichtet ist. Dazu ist es – jedenfalls grundsätzlich – erforderlich, dass sich der Dienstleister vorab selbst über die Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und die Bonität des Kapitalsuchenden informiert. Liegen dazu objektive Daten nicht vor oder verfügt der Dienstleister mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so muss er dies dem anderen Teil offenlegen. Inhalt und Umfang der Informations- und Beratungspflicht sowie ihre Grenzen hängen dabei von den Umständen des Einzelfalles ab. Von Bedeutung ist dabei etwa die Situation, wie sie sich bei der betreffenden Anlageentscheidung insgesamt darstellt, die Geschäftserfahrung und der konkrete Kenntnisstand des Anlageinteressenten, die von diesem möglicherweise abgefragten Informationen sowie die Frage, in welchem Maß der Vermittler Vertrauen und besondere Kenntnisse für sich in Anspruch nimmt.

In dem konkreten Fall hat der BGH festgestellt, dass der Anlagevermittler seine gegenüber der Gemeinde bestehende Pflicht zur Information in Bezug auf die hier in Rede stehende Bonität der Bank als Emittentin der Festgeldanlage hinreichend erfüllt hat.

Der BGH führt insoweit aus, dass sich der Anlagevermittler über die Bonität des Emittenten grundsätzlich (nur) informieren muss. Eine fachkundige Bewertung und Beurteilung dieses für die Anlageentscheidung bedeutsamen Gesichtspunkts schuldet er dagegen nicht. Ebenso wie bei der Plausibilitätsprüfung dürfen dabei auch an den Umfang der über die Bonität des Emittenten einzuholenden Informationen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, und der damit verbundene Aufwand muss dem Vermittler zumutbar sein. Die Grenzen der dem Anlagevermittler obliegenden Pflicht bestimmen sich auch insoweit nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, wobei insbesondere die Geschäftserfahrung und der konkrete Kenntnisstand des Anlageinteressenten von Bedeutung sind. Gleiches gilt für die Frage, ob die Pflicht zur Information ausnahmsweise eigene Ermittlungen einschließen kann.

Vor diesem Hintergrund hält es der BGH jedenfalls dann, wenn die andere Partei des Auskunftsvertrages ein geschäftserfahrener Anlageinteressent ist, im Normalfall für ausreichend, wenn der Anlagevermittler über die Bonität des Emittenten mit Hilfe eines Rückgriffs auf dessen aktuelle Bewertung durch eine Rating-Agentur informiert. Grundsätzlich nicht erforderlich sei es dagegen, dass der Anlagevermittler die Einschätzung der Rating-Agentur einer eigenen Bewertung unterzieht. Er muss auch nicht weitere Tatsachen ermitteln, die das Ergebnis der Rating-Agentur stützen oder diesem entgegenstehen. Der Anlagevermittler darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Agenturen den Markt beobachten und aktuelle Entwicklungen – positiver oder negativer Art – in ihre Bewertungen miteinbeziehen.

Davon ausgehend war es nach Ansicht des BGH ausreichend, dass der Anlagevermittler gegenüber der Gemeinde im Zusammenhang mit den hier regelmäßig erfolgenden Mitteilungen der jeweils aktuellen Konditionen der angebotenen Festgeldanlagen auch das den Emittenten betreffende – ebenfalls aktuelle – Rating gleich zu Beginn der Übersicht optisch herausgehoben aufführte. Auf der Grundlage dieser Information sei es dann Sache des Anlegers, vor seinem Anlageentschluss zu entscheiden, ob er die Anbieterin der Festgeldanlage für ausreichend kreditwürdig hielt.

In diesem Zusammenhang wies der der BGH darauf hin, dass der Anlagevermittler jedenfalls von einer Gemeinde und den in ihrer Kämmerei mit der Anlage von Geldern in Millionenhöhe befassten Personen erwarten durfte, dass sie das jeweilige Rating zur Kenntnis nehmen werden und auch einzuordnen wussten, der Gemeinde dabei also insbesondere die Rating-Grade und ihre Bedeutung bekannt waren. In Anbetracht der beruflichen Tätigkeit der zuständigen Mitarbeiter der Gemeinde sowie deren jedenfalls in gewissem Rahmen vorauszusetzenden Anlageerfahrung und Sachkenntnis war der Anlagevermittler daher auch nicht gehalten, über die Mitteilung der Ratings hinaus deren genaue Bedeutung für das Investment näher zu erläutern. Ebenso wenig musste der Anlagevermittler auf die – ohnehin nur graduelle – Verschlechterung des Ratings aufmerksam machen, zumal das Rating BBB+ immer noch für eine durchschnittlich gute beziehungsweise befriedigende Bonität steht und sich im Bereich des sogenannten „Investmentgrades“ bewegt, mithin für den Anleger im Allgemeinen noch als ausreichend sicher anzusehen ist.

Keine Besonderheit begründet es nach Auffassung des BGH, dass es sich bei der Klägerin um eine Gemeinde handelt, die Gelder in beträchtlicher Höhe zugunsten ihrer Bürger zu verwalten hat. In der im Anlagezeitraum herrschenden Niedrigzinsphase, in der unter Umständen sogar Negativzinsen gezahlt werden mussten, waren vergleichbare Anlagen vielmehr eine Möglichkeit, zu akzeptablen Konditionen noch einen (geringen) Zinsgewinn zu erwirtschaften.

Offen gelassen hat der BGH die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit der Anlagevermittler zusätzlich die Wirtschaftspresse verfolgen sowie auswerten muss und welche Publikationen er dafür heranzuziehen hat. Der BGH ging darauf nicht näher ein, da sich jedenfalls aus den von der klagenden Gemeinde in Bezug genommenen Artikeln eine falsche Einschätzung des Bonitätsrisikos und eine in Betracht zu ziehende Insolvenz der Bank nicht hinreichend deutlich ergab. Insoweit genüge allein der Umstand, dass in verschiedenen Quellen – unter anderem von dem Medienunternehmen Bloomberg und daran anknüpfend weiteren Informationsdiensten – von bloßen (bis dahin folgenlosen) Ermittlungen der BaFin bei der Bank berichtet wurde, nicht, um die Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit der Bank durch die Rating-Agentur in Frage zu stellen. Dementsprechend hätten diese Veröffentlichungen dem beklagten Anlagevermittler auch keinen Anlass geben müssen, diesbezüglich weitergehende Informationen einzuholen oder gar davon abzusehen, der Gemeinde die Festgeldanlage anzubieten. Zum einen hätte der beklagte Anlagevermittler ohne gegenteilige Anhaltspunkte selbst in Ansehung der Ermittlungen der BaFin in Bezug auf ein sich aus einer Konzentration von hohen Krediten bei einer bestimmten Unternehmensgruppe beziehungsweise deren Kunden ergebendes Klumpenrisiko davon ausgehen dürfen, dass die Rating-Agentur diesen Umstand bei ihrer Herabstufung der Bank von A auf BBB+ berücksichtigt hatte. Zum anderen bestand angesichts der bloßen Überprüfung des Konzentrations- beziehungsweise Klumpenrisikos durch die BaFin (noch) kein Grund, die Bonität der Bank grundsätzlich zu hinterfragen beziehungsweise ihren drohenden Zusammenbruch zu befürchten. Relevante Hinweise auf den Ausfall der Hauptschuldner der Bank gab es zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht. Dass in einzelnen Medien allein im Hinblick auf eine zu einseitige Investitionspolitik der Bank über deren Kapital- und Liquiditätsausstattung und letztlich auch über deren mögliche Insolvenz spekuliert worden war, war ohne dies untermauernde konkrete Tatsachen kein ausreichender Grund, die Bank entgegen der Beurteilung der Rating-Agentur als hinreichend boniblen Emittenten auszuschließen.

(BGH Urt. v. 19.9.2024 – III ZR 299/23)
 

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