Werbung mit „klimaneutral“
Sicher sind Sie für klimaneutrale Produkte, jedenfalls im Prinzip. Aber was heißt das genau? Wann dürfen Sie damit werben, und was dürfen Sie, wenn Sie „klimaneutral“ kaufen, erwarten?
Das Klima geht uns alle an, denn wir leben davon, dass es uns leben lässt. Spätestens seit letztem Sommer, dem wärmsten seit langem, und doch vielleicht kühler als alles, was noch kommt, ist das weithin klar. Gut wäre deshalb, wenn auch die Herstellung und der Verbrauch, m.a.W. der „Lebenszyklus“ von Produkten, klimaneutral wären. Diese Einsicht bestimmt mittlerweile das Verbraucherverhalten, und also auch die Werbung. „Klimaneutralität“ ist eine gute Werbung mit einer guten Sache.
Aber was heißt „klimaneutral“, und was ist überhaupt das „Klima“? „DAS KLIMA-BUCH“ von Greta Thunberg sagt es nicht so genau, jedenfalls nicht in einer knappen Formel. Auch im Pariser Klimaabkommen von 2015 steht es nicht. Das „Klima“ ist, nach Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, ein für ein bestimmtes Gebiet alljährlich wiederkehrender und daher charakteristischer Witterungsablauf, von lat. clima, griech. klima, „Neigung der Erde vom Äquator gegen die Pole“. Ähnlich der DUDEN. Die Praxis konzentriert sich nicht auf das anscheinend nicht so leicht fassliche Klima als solches, sondern auf CO2-Emissionen, die das Klima beeinflussen und die man jedenfalls messen kann. Nach der DIN EN ISO 14021 ist ein Produkt „CO2-neutral“, wenn der Carbon Footprint null ist oder woanders ausgeglichen wird. Die Wirtschaft stellt Zertifikate bereit, die den Ausgleich bescheinigen. Ob und wie kompensiert wird, ist allerdings – so jedenfalls die ZEIT vergangene Woche unter der Überschrift „Der Klima-Betrug“ – noch unklarer als der Begriff der „Klimaneutralität“. –
Wann darf man nun vor diesem Hintergrund sagen, dass das im Markt angebotene Produkt „klimaneutral“ sei? – Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet „irreführende geschäftliche Handlungen“. Das sind z.B. unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über verkaufsrelevante Umstände. Außerdem verbietet es, den Marktteilnehmern „wesentliche Information“ vorzuenthalten. Schweigen kann also auch irreführend und unlauter sein. Wesentlich ist, was sich die angesprochenen Verkehrskreise denken, wenn sie Produkt und Werbung sehen – denn auf die Richtigkeit dieser Vorstellung kommt es an, nicht darauf, was sich das werbende Unternehmen, seine Agentur oder eine Zertifizierungsstelle denken. Das UWG ist kein Umweltrecht, es soll vielmehr im Interesse eines funktionierenden Marktes und des Verbraucherschutzes dazu beitragen, dass informierte Kaufentscheidungen getroffen werden.
Wie ist es nun bei der Werbung mit der „Klimaneutralität“? Wie weit muss erläutert werden, was genau mit „klimaneutral“ gemeint ist, ob gleich das ganz Unternehmen – das wäre das Beste, ist aber kaum zu haben -, oder das Produkt, und wenn letzteres, welche Bewandtnis es hat mit der „Neutralität“? Die gerichtsbekannten Fälle sind bislang solche, in denen der produktrelevante CO2-Ausstoß keinesfalls null war, wohl aber eine Kompensation stattfand. Hier war nun die Frage: Wie genau muss man erläutern, was wie und wo kompensiert wird, und was im Lichte solcher Kompensation „klimaneutral“ eigentlich bedeutet? Die Gerichte geben bisher unterschiedliche Antworten. Noch einmütig schreiben das OLG Schleswig und das OLG Frankfurt am Main, „Klimafreundlichkeit“ sei „eine klare und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Aussage“ (Schleswig) und „der Begriff „klimaneutral" […] für den verständigen Durchschnittsverbraucher schon aus sich heraus verständlich“. Das ist angesichts das tatsächlichen Befundes, s.u., überraschend, aber so ist es. Schleswig (Urt. v. 30.6.2022) zieht daraus nun die Konsequenz, dass der Werbende auch nicht weiter erläutern muss, was er darunter versteht, während Frankfurt meint (Urt. v. 10.11.2022), jedenfalls müsse er angeben, ob es per saldo gar keine negativen Auswirkungen gebe oder ob sie kompensiert würden. Das Landgericht Stuttgart schließt sich dem in einem sehr ausführlich begründeten Urteil v. 5.12.2022 (nicht rechtskräftig) an und verbietet eine Werbung „der erste klimaneutrale Essigreiniger Deutschlands“ – es wäre auch zu schön gewesen -, weil die „Klimaneutralität“ nicht recht erläutert und auch nicht wirklich vorhanden war.
Es zeichnet sich ab, dass die Gerichte künftig doch eher präzise Angaben dazu verlangen, wie es mit der „Klimafreundlichkeit“ gemeint ist. Das wird dann der Verkäuflichkeit des Produktes mehr oder weniger zuträglich sein, je nach dem, aber das wäre ganz im Sinne des Unlauterkeitsrechts. Weitere Verfahren, u.a. gegen Beiersdorf, dm netto und Danone sind bei den Gerichten anhängig, man wird sehen, wie sich das entwickelt.
(OLG Schleswig, Urt. v. 30.6.2022 – 6 U 46/21, OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 10.11.2022 – 6 U 104/22, LG Stuttgart, Urteil vom 05.12.2022 – 53 O 169/22)